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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 17,2.1904

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Heft 24 (2. Septemberheft 1904)
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Stern, Adolf: Mörikes Prosa
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Batka, Richard: Mörike und die Musik
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https://doi.org/10.11588/diglit.7886#0636

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teristische Kennzeichen der Mörikeschen Prosa heransstellt: lichte, ge-
winnende Klarheit bei aller Fülle des Natur- und Tranmlebens,
mannigfaltigster, nie versagender Ausdruck für die äußerstcn Pole des
Natur- und Traumlebens und die ganze zwischen ihnen liegende Welt-
breite. Gewiß, Mörikes Prosa ist mustergiltig, und das Jneinander-
spiel strengster Einfachheit des lebendig Geschauten und überraschender,
immer im zutreffenden Bild verkörperter Seelenoffenbarungen reiht
sie den besten Leistungen deutscher dichterischer Prosa an. Die Vor-
aussetzung dieser künstlerischen sprachlichen Mustergiltigkeit blcibt eine
gleiche oder verwandte Versenkung in die letzten Gehcimnisse poetischer
Welterfassung, und so ist man versucht, Mörike auch als Prosaiker
unter die Einzigen, die Unnachahmlichen zu rechueu. Adolf Stern.

1>Iörike uncl ciie jVIusik.

„Mörike als Musiker" — der Gegenstand wird eiumal ein über-
aus reizvolles Kapitel in einer künftigen Lcbensgeschichte des teuren
Dichters abgeben. Dicse besondere Mischung von geuialer Hellhörig-
keit und musikalischem Laientum, von Beschräuktheit und Ticfe, von
Fcingefühl und Schulmeisterei erfordert freilich auch einen Darsteller
von besonderer Empfindung ich möchte sagen für Ton und Farbe
der Musikpflege in einem schwäbischen Pfarrhause. Jedermann weiß,
daß der musikalische Hausgott Mörikes Mozart war, uud nicht nur
in der berühmten „Reise nach Prag" soudern auch iu seinen Bricfen
kommt diese verehrende Liebc wiederholt und rührend zum Ausdruck.
Dabei diese eigentümliche Angst vor allen „starkcn Sachen". Wenn„Don
Juan" in der Oper angekündigt war, so fürchtete Mörike sich, hinzu-
gehen, wcil das Werk „zu viel subjektive Elcmcnte für mich hat und
einen Ueberschwall von altem Dunstc, Schmerz und Schönheit über
mich herwälzt". Zu „stark" war ihiu auch dcr Erlkönig vou Schubert,
„bei wahrhaften Schönheitcn ein grelles, den Charakter des Gedichtes
gewissermaßen aufhebcndes Prachtierstück. Das Schreien des Kindes,
wie es angefaßt wird, könnte Spiegel und Fcnster zersprengen! Jch
tadelte den Komponisten, faud aber weuig Beipflichtung." Zu seinen
Leibstücken gehörte hingegen die Glucksche Jphigeuicnouvertüre, die er
gern „mit wohlgefälligen Schmerzen in sich wühlen licß".

Schon diese Aeußerungen zeigcn, wie stark Mörikes Nerven auf
musikalische Anrufe antworteten. „Wirklich tut Musik eine unbeschreib-
liche Wirkung auf mich", bekennt er schon als Jüngling. „Oft ist's

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