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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 17,2.1904

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Heft 21 (1. Augustheft 1904)
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Plehn, Anna L.: Kunst-Reise-Führer
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Bölsche, Wilhelm: Die Auferstehung des Religiösen durch die Kunst, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7886#0452

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Daß dieses Sehen mit eigenen Augen immer fruchtbarer werde,
dazu könnten liebevoll eingehende, von Fachgelehrsamkeit freie Bücher
über die großen Einzelwerke von Vergangenheit und Gegenwart helfen.
Es müßte in ihnen etwas von Ruskins Geist leben ohne seine Breite.
Wer vermöchte, sich in einen Gegenstand mit der gleichen Hingebnng
zu versenken, wie der englische Aesthetiker, als er den Genius der
Gotik beschwor, bei dem würden wir selbst etwas von der Einseitig-
keit seiner Liebe ruhig hinnehmen dürfen. Zumal ja ein jeder nur über
das zu schreiben hätte, was er liebt.

Und noch an eins sei bei dieser Gelegenheit erinnert. Was bis-
her an populären Büchern über berühmte Kunststätten erschien, war
fast ausschließlich dem Auslande gewidmet. Die angeführten Werke
über den Kölner Dom und das Straßburger Münster sind nur für
die Gelehrten da. Es läßt sich ja auch ganz gut verstehen, warum
der breite Reisestrom diese Art von Literatur bestimmt. Wer in
Deutschland bildet sich zunächst an deutscher Kunst? Wir bewundern
Rafael früher als Dürer. Und doch ist es wohl wahrscheinlicher, daß
ein Werk deutschen Geistes eine uns verständliche Sprache rede, ehe
sich uns die Gefühle der Fremde offenbaren. Kunst-Neiseführer, wie
wir sie erstreben, sollten mit deutschen Werken beginnen.

Anna L. plehn.

vie Kufsrslekung Ues keligiösen äurck clie Runsl.*

Es ist eine alte pshchologische Erfahrung, daß Gedanken, die
wir am Tage gewaltsam zurückgedrängt haben, im Traum der Nacht
desto lebhafter erwachen. Wie ein geheimes Warnen geht es durch
solchen Traum: Du sollst nichts vergewaltigen in deinem Geiste.

Wenn der rastlos wühlende Geist der Kulturmenschheit heute
eine Pause des verträumten Sinnens macht, so klingt auch an sein
Ohr fort und fort eine leise Stimme, die Stimme des Religiösen.

Die Stimme, die ich meine, höre ich am wenigsten in den großen
rauschenden Fragen der Gegenwart, die man in der Tageshelle des
Kampfes als Religionsfragen zu bezeichnen Pflegt. Es hat für mich —
und es geht tausenden so — nichts mehr mit eigentlicher „Neligion"
zu tun, ob die Jesuiten neue Türen offen finden oder alte verschlossen.
Es ist mir auch keine religiöse Lebensfrage, wenn der Naturforscher
den gesunden Menschenverstand und die einfache Forderung, daß zwci-
mal zwei vier sei, verteidigt gegenüber dem „Wunder".

Das Religiöse wird ein wirkliches Ringen unseres Kulturgeistes
erst jenseits einer ganz bestimmten Linie.

Bei Menschen, die ein- für allemal begriffen haben, daß Religion
in der Praxis nicht befreit von den einfachsten ethischen Forderungen
der geläuterten Menschheit, die bestimmte Mittel unbedingt verwerfcn,

* Der folgende Aufsatz Wilhelm Bölschss wird als eine Art Glaubens-
bekenntnis eines modernen Naturforschers schon roegen seiner Ergebnisse gerade
unseru Lesern in ganz besonderem Matze rvichtig erscheinen. Dah wir ihn
hier wiedergeben dürfen verdanken wir dem sehr freundlichen Entgegenkommen
der .Münchner Neuesten Nachrichten"', in denen er als .eine Pfingstbetrachtung^
zuerst erschienen war. Der weitere Nachdruck ist verboten. Rw.-L.

rs-z

Runstwart
 
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