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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 17,2.1904

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Heft 14 (2. Aprilheft 1904)
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Avenarius, Ferdinand: Homer
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Preller: zum 25. April 1904
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https://doi.org/10.11588/diglit.7886#0076

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und ernähren sic doch das Lyrische und Epische in sich mit, wie die
Mutter das Kind unterm Herzen. Und so wirkt auf den, dem er auf-
gegangen ist, schon derdeutsche Homer. Wie erst der griechische ihnen,
die all die Wörter und Wörte, die in mannigfaltigstem Wechsel kommen
und gehn und oft nur ein Mal auftauchen, nicht bloß mit Sicher-
heit richtig begriffen, nein, für die sie auch aus dem tagtäglichen
Leben mit allen Gefühlswerten noch umwoben und umduftet waren!

Trei Ahnen hat der deutsche Geist von heut', im nordischen Alter-
tum, ini Christentum und im Hellenentum wurzelt er. Aus Nibelungen-
lied und Edda, aus den Schriften der Bibel, und von den griechischen
Büchern vor allem aus Homer werden wir immer wieder schöpfen müssen,
wenn die Last der Jahrtausende, von der Goethe spricht, uns nieder-
drückt, wenn wir wieder trinken wollen aus den Quellen, die jugend-
verleihend aufspringcn aus dem Grnnd. A.

Vreller.

Zum 2S. April 190-4-

Nach Richter nnd Schwind nnn Friedrich Preller — wir leben
in der Zeit, da nicht vereinzelte tüchtige deutschc Künstler ihrcn hun-
dertsten Geburtstag feiern, nein, da eine ganze Gcneration ihn be-
geht. Und nicht Fläche gegen Fläche, sondern hart Zahn gegen Zahn
bewegen sich die Räder der Kunstgeschichte: keiner hat weniger Dank
für seine Vorgänger als wer ihnen unmittelbar folgt — auch
bei dicsem Künstlergeschlcchte bewährt sich der alte Satz. Jm Wider-
spruch gegen ihre Vorgänger wuchsen diesc Männer auf, im Wider-
sprnch gegen sie selber erstarkten ihre Nachfolgcr. Nicht nur zum
Lerncn, anch zum Vcrlernen braucht es Zeit, und jetzt erst sind wir
so frei geworden, einigcrmaßen unbefangen auch sie zu sehn.

Es ist wohl bemcrkcnswcrt, daß trotzdem ebensowcnig Prellers
Bedentung, wie die der beiden genanntcn Großen, aus einem revolu-
tionären Anftreten gegcn das damals Hcrrschcnde stammt. Als Preller
ins deutsche Kunstleben trat, war das, was man damals mit dem
Beigcschmack des Verächtlichen als Nokoko bczeichnete, schon besiegt,
ja, es waren unter der Jugcnd schon abcrmals neue Kunstströmilngen
da, und anch in Prellers eigcne Kunst sickert immerhin cinigcs davon
cin. Noch wcniger sogar als Richter odcr Schwind, mit dencn wir
ihn im weiteren nicht vergleichen dürfen, hat Preller in die Entwick-
lung des spezifisch Künstlerischen gegriffen. So sehr wie bei ihncn
sind es nicht malcrische, nicht zeichnerische, sonvern sind es all-
gemeiner geistige Werte, durch die er den Dcntschen lieb wurde.
Geistige Werte freilich ganz anderer Art. Preller gab dem dent-
schen Jüngling, dem deutschen Manne, der, an humanistischer Bil-
dung genährt, scinen Homer liebt, die Augenbilder znr Odyssee, und
man darf's schreiben: wie wir Friedrich den Großen und seine Gc-
fährtcn mit Menzels Blicken sehn, so sehen die allcrmeisten von uns
den Gefahrengewohnten nnd Listenreichen von Jthaka samt seinem
Leidenskreise ganz nnwillkürlich im Geiste so, wie Friedrich Preller
ihn dargestellt hat. Noch mehr: anch die Landschaft des Altertums
haben uns Prellers Griffel und Pinsel in den Gcist gezeichnet und
gemalt; vb richtig oder falsch, wir sehen sie wie er.

2. Aprilheft 1904

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