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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 17,2.1904

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Heft 22 (2. Augustheft 1904)
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Bartels, Adolf: Das Ende der "Moderne"?
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Fricke, Richard: "Bearbeitungen"
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https://doi.org/10.11588/diglit.7886#0510

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Shakespere in England oder einen neuen Goethe in Jtalien sehr dankbar
begrüßen, aber ich habe nie geglaubt, daß Zola, Jbsen und Tolstoi Welt-
dichter ersten Ranges seien, und ich bin also meinerseits ganz froh, daß
unsere neneren Talente, mögen sie auch nicht sehr groß, mögen sie auch
nur bescheidene Heimatkünstler sein, leidlich unabhängig von ihnen geworden
sind. Vielleicht geht es gerade jetzt aufwärts, wo Huch allgemeine Rat-
losigkeit sieht; noch wächst die Dichtung überall aus nationalem Boden
hervor — Zola, Tolstoi und Jbsen sind ja anch sehr national —, und
es ist gar kein Grund ersichtlich, weshalb nicht gerade aus dem Boden
der nationalen Dichtung auch in Deutschland etwas Besonderes kommen
solltc. Bleibt aber der Große aus, nnn, so frenen wir uns der tüchtigen
Kleineren, die ja auch, jeder in seiner Art, mit dem Höheren zusammen-
hängen nnd daranf hinweisen. Für den, der sehen kann, gibt es in der
wirklichen Dichtung überhaupt keine Fläche, auch „bloße" Lebensgestaltung
ohne „Jdeendichtung" zeugt von beseelendem Atem, wenn sie nur ebcn
wirklich Gestaltung eines Lebens ist. Abcr das weiß ja Huch sv gut wie
ich. Jawohl, das Ende der Moderne ist da, die aufgetretene Dichter-Gene-
ration wird uns keine Ueberraschungen mehr bringen, obschon noch das
eine oder das andere bisher im Hintergrund gebliebene Talent mehr in
den Vordergrund treten kann, und wir sehen nnter den Jüngercn noch
nicht den kommcnden Mann. Wcr ich denke, wir suchen ihn auch lieber
nicht gewaltsam zu entdecken, wir warten hübsch, bis cr da ist, und
auch dann wcrfen wir ihm nicht, wie einst Hauptmann, gleich alle Kränze
zu. Bleibt er noch recht lange aus, auch gut; wir haben nnttlcrweile genug
zu tun, um an der Gesundung nnseres Volkes, an dem Ausgleich des
furchtbaren Zwiespaltes zwischen seinen konservativen und radikalen Elementen
zu arbeiten — es gibt ja wirklich noch andre als dichterisch-literarische Auf-
gaben. Vielleicht steigt eines Tages „die nene Weltanschauung" vor uns
empor wie eine unbekannte Jnsel, wie ein neuer Kontinent im Meer —
dann wird sie ihren oder ihre Dichter ganz selbstverständlich haben.

Adolf Bartels.

„kearbeilungen".

Tritt man heute in einen Musikalicnladen und vcrlangt beispielswcise
Beethovens Klaviersonaten, so heißt's in den meisten Fällen: „Welche Aus-
gabe? Bülow, Germer, Peters, Riemann, Damm, Epstcin, Reinccke?" Dcr
ganz unbefangene und wenig eingeweihte Känfer würde dann wahrschcinlich
erstaunt antworten: „Die von Bcethoven!" Aber so weit sind wir nnn
schon kultiviert, daß bis vor wenigen Jahren eine Ausgaüe Beethovenscher
Sonaten so, wie sie ihrem Schöpfer aus der Feder geflosscn sind, über-
haupt nicht erhältlich war und daß jetzt nur eine einzige solche Ausgabe
vorhanden ist, die aber infolge des hohen Preises für die große Masse der
Beethoven-Konsumcnten übcrhaupt nicht mit in Frage kommt: Die von
Neinecke bei Breitkopf L Härtcl heransgegebcnc Ausgabe kostet nach dcm
Katalog 3 Mk.; für die von derselbcn Firma nntcr Verantwortung der
Akademie der Künste in Bcrlin herausgcgebene Urtcxt-Ausgabc müßte man
dagegcn 58 Mk. opfcrn! Und wie es mit Beethovens Klavier-Sonaten steht,
verhält sich's anch mit der Mehrzahl der Kompvsitionen dcr übrigen „frci"
gewordcnen Komponisten; es gibt z. B. Ausgaben dcs wohltemperierten
Klaviers von Bischoff, Klindworth, Riemann, Busoni u. a., Haydns Sonaten

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Kunstwart
 
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