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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 17,2.1904

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Heft 14 (2. Aprilheft 1904)
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Münzer, Georg: Uebungen im Musikhören, [3]: die Variation
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https://doi.org/10.11588/diglit.7886#0080

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zu in Moll an. Sie ist .Minore" überschrieben. Minore heißt eigentlich: das
Kleinere, zu ergänzen ist dabei Terzo, d. h. es folgt ein Stück, in welchem an
Stelle der großen Durterz, die bis jetzt erklang, die kleinere Mollterz eintritt.
Kurz gesagt: der Komponist zeigt an, daß er ohne besonderen Uebergang aus
Dur zum Moll kommt. Des Kontrastes willen liebten die Komponisten die
Gegenüberstellung beider Tongeschlechter. Es war geradezu Handwerksgebrauch,
in einem Stück aus Dur, wenn irgend angängig, ein „Minore", in einem
solchen aus Moll ein „Maggiore" anzubringen. Welches anmutige Tonge-
bilde verdankt diesem Komponistcnbrauch hier seine Entstehung l Wie der Flug
einer traucrnden Grazie, wie das Flattern eines dunkeln Schmetterlinges dünkt
uns dieses Minore. Und nun beachte man, daß es trotz dicses entgegengesetzten
Ausdruckes musikalisch eng verwandt mit dem Thcma ist Worin liegt die
Zusammengehörigkeit begründet, die das Ohr heraus hört? Eben wieder in
der Beibehaltung der Haupttonschritte,

die Mozart durch die weichen Moll-Gänge verknüpft hat. Eine technische Selten-
heit bei Mozart sind die Oktave-Gänge, die in der zweiten Hälfte dcs ersten
Teiles und am Schluß des zweiten eintreten. Es klingt, als sollte der Ernst
nun weiter die Herrschaft behalten. Doch da sehen wir zu Beginn der nächsten
Variation wieder die drei Kreuze, als freundliche Wegweiser zur heiteren
^.'äur-Tonart. Nun gehen zwar mit Ausnahme des Minore alle Variationen
aus Dur, aber in dieser vierten gewinnt der Dur-Charakter eigenartige Be-
deutung dadurch, daß er dem vorangegangcnen Moll unmittelbar gegenüber
gestellt wird, und dadurch, daß Mozart ihn in klanglicher Hinsicht besonders
zur Geltung bringt. Es ist, als ginge nun nach vorangegangenen Minore-
nebeln die Sonne auf. Wie viel Glanz und wie viel Farbe liegt in den
wenigen Takten, und mit wie wenigen Strichen hat sie Mozart hingezaubert!
Genial ist das alte virtuose Klaviermätzchen der gekreuzten Hände zu einer
entzückenden, koloristischen Klangwirkung benutzt. Wie licblich singen die Terzen
der linken Hand über der sanft wogenden Sechzehntel-Bewegung der rechtenl
Auch hier soll uns das Vergnügen an der Schönheit der Stelle nicht hindern,
uns logisch klar zu werden, wie sie mit dem Thema verwandt ist. Abermals
haben wir nur dieselben Melodieschritte wie im Thema.

Der zweite Teil der Variation bringt ein kleines Jntermezzo, welches das
Thema in neue Gestalt wandelt. Es wird in Passagen ausgelöst. Dann kehrt
das Klangspiel zum Anfang zurück.

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