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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 17,2.1904

DOI issue:
Heft 15 (1. Maiheft 1904)
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Nissen, Benedikt Momme: Dürer als Führer
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https://doi.org/10.11588/diglit.7886#0122

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Das Gehirn will heutzutage die Seele tyranni-
sieren, sagt der Spanier Verdaguer. Dieser Kampf beherrscht die
ganze Gegenwart und mit am meisten deren Malerei. Kunstentwicklung
läßt sich nicht vom optischen Versuchssaal, noch allein vom Katheder aus
leiten. Ebensowenig darf Kunstkritik ein bloßes Echo des einheimischen
oder sremdländischen Künstlerjargons sein. Man soll über letzteren nicht
die große bleibende Sprache der Kunst vergessen. Man hat, durch
diese, jenen Jargon zu berichtigen — selbst innerhalb der Einzel-
persönlichkeit des großen Künstlers. Hicbei lasse man die einstigen
nnd jetzigen Künstler selbst zu Worte kommen. Das ist nötig gegenüber
dem Stnrzregen der modischen Kritik, wie gegenüber der Flut wissen-
schaftlicher Spezialforschungcn. Künstlertypen müssen und könncn sich
aneinander abschleifen wie Kieselsteine. Sie sind da, einander zu
klären und zu nähren; sie sind da, voneinander zu lernen. Der-
artige geistige Reibung erzeugt echte Kunstbildung — auch bei dem
betrachtenden Laien. Ein Einblick in diesen Befrnchtungsprozeß wird
seine Kunstorgane schulen. Jn solchem Sinn möge hier ein aus-
übendcr Künstler, als bescheidener Sprecher, gehört werden.

„Dürers Seele war von glühendem Verlangen
nach vollendeter Schönheit der Sitten und Lebens-
führung erfüllt .... so daß er mit Recht als ein
vollkommener Mann galt."

Camerarius.

Das „gegen dcn auffgangg der sunncn sehennde" Dürcrhaus
an der altkaiserlichen Bnrg zu Nürnberg ist ein Ort für gcistigc Tief-
schürfung. Dieser Bau, cine Art Stein gewordene Totenklage, ist
zugleich ein memsnto vivsrs für die Deutschen. Wie ein kuinmer-
voller König, wie ein edler Gefangener lebte Dürer in seiner Klause.
Sie crweitert dcn Geist und zieht das Herz zusammen — noch heute.
Das Wurzelechte von Dürers Wesen wird hier offenbar, aber auch

t. Maiheft;Zo«.

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