wir Böcklinchen und Klingerchen haben, kleine Leute auf großen Stel-
zen unter langen Priestermänteln, denen die Müller und Schultze
aller Namen nachstaunen, weil sie gar so hochragend und weitaus-
greifend schreiten. Aber nur ganz vereinzelt sind Maler uNd etwas
häufiger Malerinnen ihm nachgegangen, manchmal vielleicht nicht ohue
auch praktischcn Einflüsterungen zu lauschen. Die wirklich kräftigen
Talente, die anfangs „lenbachisch" zu werden schieneu, vor allem Sam-
berger, haben sich selbständig und gesund entwickelt. Das rein Sub-
jektive im Charaktcr seiner Kunst und seiner Kunsttheorieen lag doch
vor aller Augen zu klar und stand zu entschieden im Widerspruche
mit dcr Vorwärtsbeweguug dieser Jahrzehnte. Der Lenbach aus der
Zeit seines „Sonnenfanatismus" hätte eine große Malerbewegung ein-
leiten und weiterführen können. Der Lenbach, der als erstes und
letztes die alten Meisterwerke empfahl, denen er seine Bilder bis zum
künstlichen Altmachen, bis zum „Räuchern" anähnelte, fand keine Ge-
folgschaft mehr in einem Geschlecht, das aus den Spiegeln heraus,
und wären's die edelst geschlisfenen, nach dem Angesichte der Wirk-
lichkeit als nach dem Ausdruck der Wahrheit selber verlangte.
Aber sonderbar, so wenig er von den Jungen hielt, und so
wenig die Jungen ihm nachfolgten, den Respekt verweigerten sie
ihm doch nie. Zwar: preisen die Blätter ihn jetzt als einen, der hoch
überm Brodem dcr Gegenwart, die Linke Hand in Hand mit Tizian
oder Rembrandt, die Nechte hinstreckt einem Ungeborenen der Zu-
kunft, dasz er die Kette der Großen sortführe — nein, so sehen die
Jüngeren Lenbach nicht. Es scheint ihnen fraglich, ob die Geschichte
der Malerei im engeren Sinne, die „Nessortwissenschaft" sozusagen,
ihn einst viel höher einschätzen werde, als den gleich ihm zu Lebzeiten
überschwänglich gefciertcn Makart, der in mehr als dieser einen Be-
ziehung zu Vergleichungen mit ihm lockt. Nur daß Lenbachs geistige
Bedeutung wohl sichcr viel größer war. Auch die des Malers, mechr
noch die des Menschen. Und daß bei allem Herrenmäßigen und
Herrischen dieser starken Persönlichkeit doch auf die Dauer keiu Grvll
gegen Lenbach sich hielt, weil er nichts Kleinliches, weil auch das Bäurische
in ihm etwas Adliges hatte. Es war Würde in Lenbach. Man
stell' ihn sich vor, wie er sich von irgend einem Könige ckder Kaiser
„Direktiven" geben, wie er sich etwa gar gleich Eberlein cine Figur in
einen Entwurf hineinzeichuen ließe, und Lenbachs Abstand von unsern
Hofkünstlern dehnt sich vor jedem Auge sofort. „Er war ein Mann,
nehmt alles uur in allem" — wem ist vor diesem Sarge das Wort
jetzt nicht zu leisem Nachsummen auf die Lippeu gekommen? Es
ist der Ausdruck allgemeinen Fühlens. Das hat Lenbach letzten
Endes überall dcn Respekt verschafft, das Männlichc in ihm. A.
t- Iuniheft ,904
zen unter langen Priestermänteln, denen die Müller und Schultze
aller Namen nachstaunen, weil sie gar so hochragend und weitaus-
greifend schreiten. Aber nur ganz vereinzelt sind Maler uNd etwas
häufiger Malerinnen ihm nachgegangen, manchmal vielleicht nicht ohue
auch praktischcn Einflüsterungen zu lauschen. Die wirklich kräftigen
Talente, die anfangs „lenbachisch" zu werden schieneu, vor allem Sam-
berger, haben sich selbständig und gesund entwickelt. Das rein Sub-
jektive im Charaktcr seiner Kunst und seiner Kunsttheorieen lag doch
vor aller Augen zu klar und stand zu entschieden im Widerspruche
mit dcr Vorwärtsbeweguug dieser Jahrzehnte. Der Lenbach aus der
Zeit seines „Sonnenfanatismus" hätte eine große Malerbewegung ein-
leiten und weiterführen können. Der Lenbach, der als erstes und
letztes die alten Meisterwerke empfahl, denen er seine Bilder bis zum
künstlichen Altmachen, bis zum „Räuchern" anähnelte, fand keine Ge-
folgschaft mehr in einem Geschlecht, das aus den Spiegeln heraus,
und wären's die edelst geschlisfenen, nach dem Angesichte der Wirk-
lichkeit als nach dem Ausdruck der Wahrheit selber verlangte.
Aber sonderbar, so wenig er von den Jungen hielt, und so
wenig die Jungen ihm nachfolgten, den Respekt verweigerten sie
ihm doch nie. Zwar: preisen die Blätter ihn jetzt als einen, der hoch
überm Brodem dcr Gegenwart, die Linke Hand in Hand mit Tizian
oder Rembrandt, die Nechte hinstreckt einem Ungeborenen der Zu-
kunft, dasz er die Kette der Großen sortführe — nein, so sehen die
Jüngeren Lenbach nicht. Es scheint ihnen fraglich, ob die Geschichte
der Malerei im engeren Sinne, die „Nessortwissenschaft" sozusagen,
ihn einst viel höher einschätzen werde, als den gleich ihm zu Lebzeiten
überschwänglich gefciertcn Makart, der in mehr als dieser einen Be-
ziehung zu Vergleichungen mit ihm lockt. Nur daß Lenbachs geistige
Bedeutung wohl sichcr viel größer war. Auch die des Malers, mechr
noch die des Menschen. Und daß bei allem Herrenmäßigen und
Herrischen dieser starken Persönlichkeit doch auf die Dauer keiu Grvll
gegen Lenbach sich hielt, weil er nichts Kleinliches, weil auch das Bäurische
in ihm etwas Adliges hatte. Es war Würde in Lenbach. Man
stell' ihn sich vor, wie er sich von irgend einem Könige ckder Kaiser
„Direktiven" geben, wie er sich etwa gar gleich Eberlein cine Figur in
einen Entwurf hineinzeichuen ließe, und Lenbachs Abstand von unsern
Hofkünstlern dehnt sich vor jedem Auge sofort. „Er war ein Mann,
nehmt alles uur in allem" — wem ist vor diesem Sarge das Wort
jetzt nicht zu leisem Nachsummen auf die Lippeu gekommen? Es
ist der Ausdruck allgemeinen Fühlens. Das hat Lenbach letzten
Endes überall dcn Respekt verschafft, das Männlichc in ihm. A.
t- Iuniheft ,904