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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 17,2.1904

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Heft 17 (1. Juniheft 1904)
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Stoessl, Otto: Die Posse
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Batka, Richard: Anton Dworschak
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https://doi.org/10.11588/diglit.7886#0251

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die wir verdienen. Wer die Kunst will, muß auch das wahre Leben
wollen. Unser Publikum scheint aber bloß die Posse zu bejahen und
ein Dasein gutzuheißen, das von der Possc grimassiert wird. Von
§kunst ist nicht die Rede und auch vom wahren Leben nicht. Das
große Drama wird als verehrungswert, aber langweilig empfunden.
Es steht zur Seite, wie die wahren, großen Menschen, die keine
Heimat haben in ihrem sehr geliebten Lande. Dtto Stoeßl.

Hnlon vvi'oi'sckLk.

Jäh und vor der Zeit, während die musikalische Kraft des Drei-
undsechzigjährigen noch immer mit staunenswerter Frische sprudelte,
ist Dworschaks Künstlerleben abgebrochen worden. Seine Nation hat
an ihm ihren berühmtesten Mann, die Welt eines der kräftigsten ton-
schöpferischen Talente verloren, ein Talent von jener Art, die uns
heute doppelt wertvoll erscheint, weil sie so selten geworden ist. Eine
absolut musikalische Begabung, wie sie jetzt nur noch bei Völkern von
kurzer musikalischer Vergangenheit, aber kaum mehr bei den großen
musikalischen Kulturnationen Jtaliens, Deutschlands oder Frankreichs
erstehen.

Das jZ. Jahrhundert ist durch die Heraufkunft der kleineren
Völker in die Weltmusik gekeunzcichnet. Polen, Ungarn, Skandinavier,
Tschechen, Russen, Finnen kommen zu Wort und bringen den neuen
Reiz ihrer nationalen Mundart ins Reich der Töne. Für die Tschechen
knüpft sich — mag auch Smetana als Gesamterscheinung bedeutender
gewesen sein — die künstlerische Geltung im AuSlande an den Namen
Dworschaks. Er ist die Apotheose des böhmischen Musikantentums.

Es war Meister Dworschak nicht au dcr Wiege gesungen worden,
daß er zu solcher Bedeutung erwachsen sollte. Der Fleischerlehrliug
zu Mühlhausen, der Sonntags auf den Tanzböden spielte, der erst
mit sechzehn Jahren es durchsetzte, seiner unbezwinglichen Neigung
zur Musik nachzugehen, der arme Orchestergeiger und Organist bei
St. Adalbert in Prag, dieser junge Mcnsch von den stärksten musi-
kalischen Jnstinkten und der dürftigsten allgemeinen Bildung schien
nicht berufen zu sein, in einer Zeit hervorzuleuchten, die gerade durch
das Eindringen allgemeincr geistiger Faktoren in die Tonkunst einen
unerhörten Fortschritt vollzog. Dworschaks Lehrmeister waren die
Werke Beethovens und Schuberts, die er sich schwer genug von be-
freundeten Musikern lieh und die er mit wahrem Fanatismus studierte.
Als er seine ersten eigenen Kompositionen versuchte, entrollte Sme-
tana gerade das nationale Banner, als Jünger Smetanäs fand er
j873 zuerst durch eine „Hymne" Beachtung. Eine Bewerbung um ein
Staatsstipendium brachte ihn bald darauf in Fllhlung mit den Wiener
Konservativen, die in Dworschak sogleich einen willkommenen Bundes-
genossen erkannten. Hanslick feierte ihn in seinen Feuilletons, Ehlert
in Berlin sekundierte, Brahms, der bei einem Besuch in der ürmlichen
Wohnung Dworschaks mit Rührung die aufgestapelten Manuskripte,
Zeugnisse einer reichen Schaffenskraft, eingesehen hatte, verschaffte
ihm den zahlungsfähigen Verleger Simrock, Joachim und Hans Nichter

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