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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 17,2.1904

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Heft 17 (1. Juniheft 1904)
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Batka, Richard: Anton Dworschak
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https://doi.org/10.11588/diglit.7886#0253

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Musikdrama waren nun seine Jdeale, ihnen galt sein ganzes Streben,
keine Mißerfolge vermochten ihn irre zu machen. Es ist ein Bild
heißen, bewundernswürdigen Ringens, wie Dworschak seine ange-
borene Musikantennatur überwinden, über ihre Grenzen und Beschrän-
kungen hinausgelangen will, und es gibt seinem Schaffen zuletzt einen
geradezu tragischen Charakter. Er mißverstand das Prinzip der sym-
phonischen Dichtung, indem er, statt einen Stoff musikalisch zu dis-
ponieren, Strophe für Strophe eines diesen Stoff behandelnden Ge-
dichtes sklavisch in Tönen abschilderte. Er mißverstand das Prinzip
der Oper und meinte einmal gesprächsweise: „Was hab ich davon,
wcnn eine Oper dramatisch ist? Wenn's nur schöne Musik ist." So
arbeitet in seinen letzten Werken die moderne Technik ohne dcn modernen
Geist, und sein sehnsüchtiger Traum, den Tschechen das in einer Person
zu werden, was Liszt und Wagner den Deutschen waren, sollte und
konnte nicht in Erfüllung gehn.

Anton Dworschak muß uns jedenfalls als ein überzeugender Be-
weis dafür gelten, daß ausgeprägter nationaler Charakter, weit ent-
fernt, ein Hindernis in der Kunst zu sein, die Quelle internationalen
Ruhmes wird. Der Urwüchsigkeit, die sich namentlich in seiner Rhyth-
mik kundgibt, verdanlt er den hohen Rang, den cr untcr den Tonkünst-
lern seiner Tage einnahm, weit mehr, als seiner künstlerischen Einsicht,
welche die ungebärdigcn Sprünge seines feurigen, oft ins Brutalc
ausartenden Temperamentes nicht immer zu zügeln vermochte. Der
„Furiant" ließ ihn nicht los. Aber wenn ihn an Geistigkeit, Ge-
schmack, Bildung und ästhetischem Gewissen selbst unter seinen Lands-
leuten manche übertrafen, so stempelte ihn die Echtheit seiner Emp-
findung, die Unmittelbarkeit seiner Tonsprache, die geniale musi-
kalische Jntuition und Erfindsamkeit zu einem Künstler von Gottes
Gnaden, aus dessen Schöpfungen freilich wenig Spirituelles, wenig
Ewigkeitsgefühl, aber um so mehr warme Hingabe an den schönen
Augenblick, an die Nealität des Lebens spricht. Vieles aus seiner
letzten Schaffenszeit wird bald nur mehr ein geschichtliches oder bio-
graphisches Jnteresse haben. Aber seine Legenden, Slavischen Tänze
und Bagatellen, seine Streichquartette, seine Trios, sein Klavierquar-
tett, sein Sextett, seine Symphonieen werden auf vorderhand unab-
sehbare Zeit ihren Platz neben denen der klassischen Meistcr behaupten.
Jhre völkerverbindende Macht hat die Deutschen über die tiefsten
nationalen Kämpfe und Antipathieen hinweg mit den liebenswnrdigen
Zügen des tschechischen Musikgeistes in Fühlung erhalten.

Richard Batka.

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