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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 17,2.1904

DOI Heft:
Heft 20 (2. Juliheft 1904)
DOI Artikel:
Münzer, Geog: Uebungen im Musikhören, [4]: die Variation
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https://doi.org/10.11588/diglit.7886#0408

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satz und Nachsatz genau viertaktig. Die Melodie dabei motivisch entwickelt.
Es schließt sich eine Fortführung der Melodie in einer zweiten Periode an.
Der sechzehnte Takt von Beginn der Melodie an gerechnet enthält ihren
Abschluß. Zugleich aber den Anfang einer neuen Periode. Auch bei den
klassischen Meistern fällt in dieser Weise der Schluh einer Periode
und der Anfang einer neuen zusammen. Was beginnt hier aber
neues? Die Anfangsmelodie erklingt in der Tonart der Dominante, uotcn-
getreil bis zum achten Takte. Von da aus acht Takte lang in freier Aus-
führung. Zu dieser Wiederholung der Melodie gcsellt sich cinc rcichere Be-
gleitung. Es treten frei bewcgte, melodische Ncbenstimmen ein, welche die
Hauptmelodie umspielen. Es folgt abermals die Hauptmelodic, wiederum
acht Takte ganz notengetreu, dann in freierer Ausführung. Die begleitenden
Nebenstimmcn werden rcicher und vollcr, und endlich setzt das Thcma im
Fortissimo cin drittes Mal ein. Die Stelle der frcien Fortführnng nimmt
nun ein Dccreszendo ein, das sich im zehnten Takte aussingt. Es schließen
sich die Flimmcrakkorde dcs Anfanges an, und endlich kliugt das Ganzc
mit leiscstem Hauch mit dcm crstcn Mclodietakte aus. Das Thema, leise
beginnend, erschallt stärkcr und stärkcr, bis zum höchsten Glanzc dcs Orchesters
gesteigert, und endlich in der Fcrne wieder verhallcnd. Ein berühmtes
Mcisterwerk mnsikalischer Steigerungskunst. Dic Jdee, die der Komposition
zugrunde lag, war diese:

T'ci/cl.


„Dem verzückten Blicke höchster, überirdischer Liebessehnsncht scheint im
Beginn der klarste, blauste Himmelsäther zn einer wundcrvollcn, kaum wahr-
nehmbaren und doch das Gesicht zauberhaft einnehmenden Erscheinung zu
verdichten. Jn unendlich zarten Linien zeichnet sich mit allmählich wach-
sender Bestinimtheit die wundcrspendcnde Engclschar ab, die, in ihrer Mitte
das heilige Gefäß geleitend, aus lichten Höhcn unmcrklich sich herabsenkt...
Und als endlich das heilige Gefäß selbst in wundernackter Wirklichkeit cnt-
blößt und deutlich dem Vlicke des Gewürdigtcn hingereicht wird; als der
»Gral« aus seincni göttlichen Jnhalte wcithin die Sonnenstrahlcn erhabcnster
Liebe, glcich dem Leuchten eincs himmlischen Feuers, aussendet, sodaß alle
Herzen rings im Flammenglanze der ewigen Glut erbcben: da schwinden
dem Schauendcn die Sinne, er sinkt nieder in anbetender Vernichtung . . .
Doch über den in Liebeswonne Verlorenen gießt der Gral nun scinen Segen
aus . . . Jn keuscher Freude schwebt nun, lächelnd herabblickend, die Engel-

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Knnstwart
 
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