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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 17,2.1904

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Heft 21 (1. Augustheft 1904)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7886#0481

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seine Strafe verbüßt; so ist das hier in Hanan üblich. Sie sind also jetzt
frei, denn Sie haben Jhre Strafe verbüßt, und können gehn, wohin Sie
wollen!" Da rief ich fröhlich: „Das ist aber schön, Vater, adje, Vater, bleiben
Sie gesnnd!" Da lächelte er und sagte: „Na hier, nehmen Sie nur den
Schein mit nach der Polizei." Da erst verspürte ich etwas vom Pfingstfeste.
Gott sei Lob und Dank, mit Trommeln und mit Pfeifen, denn ich brauchte
nicht wieder ins Lauseloch! Da ging ich fröhlich nach dem Polizeiamt und
meldete mich und gab den Schein ab.

Da war ein Zivilherr, der nahm den Schein in Empfang, und suchte
meinen Paß hervor und sing an zu schreiben und fragte mich, wo ich
hinwollte, da nannte ich ihm Kiel, und währte gar nicht lange, da hatte
er den Paß ausgefertigt, da ging ich ab. Abcr draußen auf dem Haus-
gang begegnete mir eiligen Laufs der Schutzmann, der mich arretiert hatte,
und war schon an mir vorbei, aber wir hatten uns beide angesehn, da
stoppte er und sagte: „Sind Sie das, oder sind Sie's nicht?" Da nickte
ich ihm lächelnd zu, da sagte er: „Tausend, sind Sie aber krank gewesen!
Das kann man sehn!" Da ging er eilig weiter. Da ging ich auf die Straße,
aber ich war sehr neugierig, was der Zivilherr in mcinen Paß geschrieben
hätte, dcnn ich wunderte mich, daß er gar kcine Umstände gemacht hatte,
als ich sagte, daß ich nach Kiel wolltc, denn das war cine weite Reise,
und er wußte doch, daß ich bcim Bctteln erwischt war und kein Reisegeld
besaß. Da blieb ich bald stehn und sah in mcinen Paß. Da traute ich
meinen Augcn nicht, denn da stand bloß ganz kurz und schön und dentlich
geschrieben: daß ich die Zcit über hier im Spital krank gelegen hätte nnd
nach Kiel ginge. Aber kcine Silbe von Betteln oder von Strafe, nichts,
das war gar nicht crwähnt.

Das war am Tage nach Pfingsten und mitten in der Pfingstwoche,
aber ich hatte nie geglaubt, daß der Hanauer so eine Feder schreiben und
so eine Sprache reden könnte, und war mir von oben herab das reinste
Pfingstwunder, und war mir nicht anders, als ob Ostern und Pfingsten
auf eincn Tag fielen. Da hatte mich der Hanauer überwundcn, da mußte
ich mich bekchren. Da kam mir die Straße und die ganze Stadt ganz
anders vor alS frnher, und sah wieder ebcnso schön und freundlich aus, als
vordem, wo ich zum ersten Mal darin eingewandert war. Da war gar
keine Ueberlegung mehr, da habe ich mich von Stund an wieder mit dem
Hanauer vertragen; da ist es nachher mehr wie einmal vorgekommen, daß
welche wider den Hanauer sich anssprachen, aber ich habe es uicht gelitten,
und fragte allemal gleich, ob sie denn in Hanau Beschcid wüßtcn, aber
davon konnte mir keiner was sagen, da sagte ich allemal, daß sie den
Hanauer gar nicht kennen tätcn.
 
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