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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 17,2.1904

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Heft 23 (1. Septemberheft 1904)
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Gregori, Ferdinand: Emil Devrient und wir
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Motta, José Viana da: Bayreuth nach New York
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https://doi.org/10.11588/diglit.7886#0571

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einiger dieser Stücke kann man sich heute kamn noch eine Vorstellung
machen) kommt eine klassische: er betont ausdrücklich, daß er nur
eine von den drei genannten spielen will. Und wo stehen die „Kreuz-
chen" seiner zärtlichen Liebe! Wenn er dann auch mit seinen feinen
weißen Händen verschönenden Goldstaub über den literarischen Unrat
streute, die Besten seiner Zeit, denen er damit nicht genug tat, spürten
doch die Schwächen, und er mußte seine Deklamation „baumwollenen
Schwulst" nennen hören (von keinem Geringeren als Jmmermann)
oder man konstatierte an ihm und Gutzkow zugleich „Gefühlsschwind-
sucht".

Jn Summa: ich möchte nicht sein Kollege gewesen sein, wenn
auch sein Freund; er war treu und opferfreudig. Wenn in seinen
Tagen der Reiz des Ensembles nicht vollständig vergessen gewesen
wäre, Hätte sein Vordrängen ungeheuren Schaden bringen müssen.
Man ging aber nicht mehr des Stückes, sondern des Darstellers wcgen
ins Theater. Und seine Persönlichkeit erquickte die Hörer. Die über-
triebene Stilisierung einer Figur war der Zeit mehr gemäß, als
das rein-natürliche Gehaben des Schauspielers, der heute seine Modelle
auf der Straße aufliest. Emil Devrient lebt unabhängig von der
literarischen Güte seiner Nollen in uns fort als die adeligste Er-
scheinung der deutschen Bühne; Goethes Kopf taucht neben ihm auf,
wenn man von seiner Art redet; und daß er kein Nuancenjäger war,
bringt ihn in einem Punkte der modernsten Kunstübung fast nahe.

Ferdinand Gregori.

kayreutk nack stsev-^onk.

Die Aufführung des „Parsifal" in New-Uork, bei der bedeu-
tende deutsche Künstler die Pietät gegen den ausdrücklichen Willen
ihres Meisters dem Golde opferten, hatte das Jnteresse für die dies-
jährigen Festspiele in noch größerem Maße entfacht als sonst. Von
deutscher Seite war der Andrang dieses Jahr stärker als sonst, als
wcnn man sich erst recht besonnen hättc, daß solche Festspiele hier
bestehen; durch Amerika kamen nach wie vor zahlreiche Gäste, um
zu beweisen, daß sie doch von Bayreuth etwas anderes erwarteten
als von New-Dork. Nun stand Bayreuth vor der Entscheidung, nun
konnte man erfahren, ob Wagner recht hatte, dcn Parsifal ausschließ-
lich für diese Stätte vorzubehalten, odcr ob die Anfführungen dort
nur als sogenannte Mustervorstellungen gelten können, die mit gutem
Willen ebensowohl anderswo nachgeahmt werdcn können. Und jcder
Unbefangene wird bestätigen: der Sieg Bayreuths war vollständig,
war unwiüerstehlich. Nach der zweiten Tannhänser-Ausführung brach
die hingerissene Zuhörerschaft in so stürmischen und so lang andauernden
Beifall aus, daß schließlich Siegfried Wagner vor dcm Vorhang er-
scheinen mußte, um in einer Ansprache ergrisfen Dank zu sagen. Eines
ähnlichen, auch die vom Meistcr selber gesetzten Schranken dnrchbrechen-
den Begeisterungsausbruchs erinnere ich mich nur von der ersten Mei-
stersinger-Aufführung her, wo der Jubel des Publikums auch kein
Ende nehmcn wollte nnd man irgend etwas Unerhörtes noch erwartete.

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;. Scxtemberheft -904
 
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