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Kunstwart und Kulturwart — 26,2.1913

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Heft 9 (1. Februarheft 1913)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14285#0256

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zur Verfügung gestellt, die sich mit
diskreten Ratschlägen nützlich machen
nnd auf Wunsch auch die Leitung
der Weihnachtslieder übernehmen.
Falls Angehörige der Mäzenaten-
kreise die Zuweisung anerkannter
Dichter oder Komponisten als Ver-
treter der Zentrale wünschen, an-
gemessene Preiserhöhung. Ebenso
bei aktiven Militärs oder Diplo-
maten. Aber auch dann werden die
Kosten eines kompletten Weih-
nachtstisches inklusive Aufsichtsper-
son die einer gemein-bürgerlichen
Bescherung gegen bar kaum über-
steigen.

Es versteht sich, daß die Zentrale
kostenlos auch die Ausreden liefert,
mit denen die Abonnenten ihren
Gästen gegenüber das Verschwinden
der Weihnachtsgeschenke nach den
Feiertagen begründen können.

Ulrich Rauscher

Erzwungene Gläubiger-

schaft

or einiger Zeit sprach man in
Preußen und Ssterreich viel
davon, wie man den Absatz der
Staatspapiere erweitern könne.
Staatspapiere sind Anweisungen,
auf Grund deren der Inhaber jähr-
lich eine bestimmte Geldsumme zu
erhalten hat; wird das Papier ver-
lost, so nimmt er an der Verlosung
teil. Diese Papiere, auch Renten
genannt, werden auf der Börse ver-
kauft. Viele kaufen sie, um sich und
den ihren eine sichere Pension zu
verschaffen, andre wieder kaufen
Staatspapiere, weil sie hoffen, ihr
Preis werde steigen und sie könn-
ten sie dann mit Gewinn weiter
verkaufen. Neben den Steuern sind
es vor allem diese Anleihen, die
dem Staat viel Geld einbringen.
Während aber jeder Bürger auf
Grund von Gesetzen gezwungen wer-
den kann, Steuern zu zahlen, wird
es im allgemeinen jedem frei ge°

stellt, ob er sich Staatspapiere kauft
oder nicht. Es gibt aber auch
Zwangsanleihen, das heißt jeder
Bürger kann zum Beispiel entspre--
chend seinem Einkommen gezwungen
werden, eine bestimmte Menge zu
kaufen. Die erzwungene Anleihe
unterscheidet sich dadurch von einer
Steuer, daß der Staat Zinsen zahlt
und die Rückzahlung an einem
spätern Zeitpunkt verspricht. Wer zur
Anschaffung einer größeren Menge
von Staatspapieren gezwungen
wird, erhält dafür auch mehr Zinsen.
Anders bei den Steuern. Die Ge-
genleistung des Staates besteht hier
darin, daß er Schulen, Straßen,
Polizei, Richter, Heer und Flotte
usw. den Bürgern zur Verfügung
stellt und es kann wohl vorkommen,
daß derjenige, welcher die höheren
Steuern zahlt, weniger Vorteile
vom Staate genießt als der weni-
ger zahlende. Manche meinen frei-
lich, daß selbst die höchste Steuer
noch nicht die Gegenleistung des
Staates aufwiegt, welche darin be-
steht, daß er den einen das Vor-
recht gebe, auf Kosten der Neben-
menschen reich sein zu können. Man
beabsichtigt nun einen Zwang da°
hin auszuüben, daß zwar nicht ein-
zelne Bürger, wohl aber große Un-
ternehmungen einen Teil ihrer Gel-
der in Staatspapieren aulegen müß-
ten. Es handelt sich dabei um Spar-
kassen, Versicherungsgesellschaften
u. dgl. Sparkassen dienen bekannt-
lich dazu, Gelder von einzelnen zu
sammeln und zu verzinsen. Ange-
uommen, sie gewähren 3 vom Hun-
dert, so müssen sie selbst die Gelder
zu einem höheren Zinsfuß weiter
verleihen, um miudestens ihre Be°
triebskosten hereinzubekommen. Sie
köunen beispielsweise die Gelder an
Bauern weitergeben, die vielleicht
vier v. H. Zinsen zahlen müssen
und ihre HLuser und Grundstücke
verpfänden — man sagt dann, die

IstFebruarheft WA 205
 
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