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Kunstwart und Kulturwart — 35,2.1922

DOI issue:
Heft 7 (Aprilheft 1922)
DOI article:
Bernhardt, Josef: Aus Joseph Bernharts "Kaplan"
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https://doi.org/10.11588/diglit.14435#0031

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fauchende Katze. Warum doch mrr gerade dergleichen begeguet! Blumen
am Weg verschout mein Futz, kaum wage ich Schneekristalle auf meinem
Armel zu zerstöreu, sür Tiere habe ich ein Herz wie kleiue Mädchen!
Diesmal habe ich unbedacht gehandelt. Aber hätte ich den Schutz unter-
lasseu sollen? Dann wäre die Vogelbrut zerstört und vielleicht viel liebes
Vogelvolk aus dem Garteu verscheucht worden. Nun ist die Katze der
leidende Teil, eine Kreatur, von Gott erschaffen, wie jede andere. Hätte
nicht ich zerstörsnd eiugegriffen, so hätte es die Katze getan -- ein Äbel
mutzte, wie es scheint, iir jedem Falle geschehen. Aber hatte ich ein Recht,
das eine Tier dem andern vorzuziehen, weil es eben durch seine Lieblich-
keit meinen Sinnen schmeichelt? Hatte ich überhaupt ein Recht, mich iu
den Streit dcr Geschöpfe einzumischen? Es heitzt: der Gerechte erbarmt
sich auch des Viehs. Ich kann sagen, ich habe mich der Vögel erbarmt^
eiu anderer kann mir entgegneu, ich sei erbarmuugslos gewesen. Wie
ich deu Fall auch betrachte: ich habe gut und bös zugleich getan und konnte
dem Verhängnis, unbarmherzig zu sein, nicht entrinnen. Wiederum er-
kenne ich, datz das Äbel in der Welt ost nicht aufzuhalten ist und datz es
auch den Menschen guten Willens in seine Kreise reitzt, wenn es so
bestimmt ist.

Nachmittag. Ich muß hier eineu Zufall bemerken, der durch den Zeit-
punkt für mich ebenso seltsam wie ersreulich ist. Bei Tisch brachte Fräu-
lein Vevi eine Taube herein, die am Hals eine blutende Wunde hatte.
Sie kam ans Küchenfenster geflogen wie um Schutz und Pflege bittend.
Ich bat mir das Tier sogleich zur Wartung aus uud uahm es unter dem
Gelächter des Pfarrers, der mich scherzend ein sentimenlales Mannsbild
nannte, auf mein Zimmer. Ietzt hockt das Tierchen neben mir auf dem
Papierkorb und fühlt sich, wie ich glaube, gauz heimisch uud geborgen. Wie
bin ich so froh, daß ich es gesund Pflegen darf! Für ein Leben, das
ich zerstört habe, will ich ein anderes retten. Nun sehe ich gleich nach dem
armen Peter. >

Die Nachbarbäuerin schickt mir einen Zettel herüber, auf dem steht, sie
wisse schon, wer ihre schöne Katze angeschossen habe. Ob ein Kaplan
nichts Besseres zu tun habe, als arme Tiere zu quälen. Es bleibt mir
nichts übrig, als ihr einen Besuch zu macheu und meiu Bedauern über den
dummen Zwischeufall auszusprechen.

Gestern abend ging ich, mein Vesperbrot in der Hand, in den Heustadel.
Peter hat sich dort zwischeu die Scheiter eines kleiueu Holzstotzes verkrochen.
Die Augen glommen wie feurige Kugeln, und so brauchte ich nicht lange zu
suchen. Als ich dem Tiere meiu Schinkenbrot zuschob, schnvb es mich
so drohend an, daß ich erschreckt zurückwich. Nuu braucht es wenigstens
nicht zu verhuugeru, und ich kanu hossen, daß es wieder geuest und der.
Streich sein gutes Eude findet.

Die Pfarrschwestern, denen ich deu Vorfall anvertraute, lachten mich
'uicht wenig aus. So einen zarten Hcrru von Kaplan hätten sie noch nicht
gehabt; beim vorigeu seien die Spatzen dutzendweis heruntergepurzelt,
wenn sie sich an die reisen Kirschen machteu. Ich hätte wohl, meinteu
sie, uicht einmal das Herz, aus den blechernen Kirchturmhahu zu schießen.
Die Spässe erleichtcrten mich, trotzdem bat ich, dem Pfarrer uichts zu er-
zählen, bis der Peter wieder guter Dinge und ich ein Mensch von gutem
Gewissen wäre.
 
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