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Kunstwart und Kulturwart — 35,2.1922

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Heft 12 (Septemberheft 1922)
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Bonus, Arthur: "Staatbildende Kraft"?
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14435#0389

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von staatenbildender Kraft. Es scheint, daß die Germanen indolente Masse
haben müssen, um staatliche Formen in sie einzukneten. Daher die Staaten
draußen unter Kelten und Slaven so gut gelangen. Drinnen will alles
kneten und nichts sich kneten lassen.

Merkwürdiger Hohn der Geschichte! Dieselbe Eigenschaft, welche die
Germanen zu einem eigentlichen tzerrenvolk gemacht hat, einem Volk, das
einer Welt Herren gab, dieselbe Eigenschaft macht das zu Hause gebliebene
Restvolk zu Allerweltsknechten.

And deshalb bleibt es dann doch — nur anders herum — bei der an°
sangs angezogenen Mahnung: „Wir müssen uns mit allen geistigen Mit--
teln dazu emporzwingen." Wozu? Dazu, Maß zu halten, uns zusam--
menfügen, die tzaupttugend aller Demokratie — und der sozialen vor allen
andern — zu lernen: freien Gehorsam, Selbstzucht. Bonus

Vom Aeute fürs Morgen

Der Spielball

anchmal ist die Erde so unerhört
schön und unser Herz so übervoll,
daß wir meinen, alles könne aus ihm
hervorblühen, Gestalt empfangen, wie
der Puls es gerade befiehlt, alles müsse
mit einem Schlage neu sein, Planeten
Spielbälle unserer Kraft....

Spielbälle, hm —

Neulich schaute ich einigen Fußbal-
lern zu, es war nicht einmal ein Wett-
spiel. Wenige Männer übten Zwischen
zwei Toren. Es kam ein scharfer An-
griff, ein naher, heftiger Stoß . . . Der
Torwächter wirft seinen Körper mit er-
hobenen Armen nach der Seite, der
Ball springt zurück an den Kopf des
vor ihm stehenden Verteidigers, der
Torwächter stürzt langhin, steht auf,
reibt sich das Knie und hinkt, der Ver-
teidiger hält sich die Backe und geht'
zur Seite, — der Ball aber ist „ge-
rettet". Kein Wort oder Blick des Vor-
wurfes. Zwei Menschen haben sich
„übungsweise" sehr weh getan, aus
einem Grunde, der für ihr persönliches
Leben auch nicht die Bedeutung eines
Staubkornes hat; man hätte den Ball
ja ruhig vorbeifliegen lassen können.
Weshalb aber finden sie doch alles in
der Ordnung, daß sie nicht grollen? Ach
so, der Ball. Freilich, ein Ball, der
so und so geflogen kam, konnte nur ab-
gewehrt werden, wie es geschah. Und
abgewehrt werden mußte er, dafür ist
es ein Ball. Sogar ein ganz besonderer,
für den die Menschen viele Regeln er-
fanden. Uno diese Regeln? Seltsam,

sie gelten anf einmal mehr als ihre Er°
finder, durch die sie doch erst da sind.
Die Notwendigkeit eines bestimmten
Handelns, die sich aus irgendeiner
Spielstellung ergibt, ist scheinbar etwas
so Zwingendes, daß es für den Spieler
gar keine Frage, kein Abwägen gibt.
Erst kommt der Ball und sein Gesetz,
dann erst der Mensch, der beide schuf,
mit seinem Empfinden. Ia, die Dinge
befehlen oft seltsam über uns, und tau-
send solcher Gesehe hängen in der Luft.
„Die ich rief, die Geister. . . ." Der
Mensch scheint sich doch wohl recht ein-
sam in der Welt vorzukommen, wenn
er sie nicht mit Götzen bevölkern kann.

Manche Zuschauer hätten vielleicht
auch gefolgert: „Hm, Disziplin ist wirk-
lich etwas Schönes, und der Sport
stählt den Mut." Martin Elsner

Die Kunst, Recht zu behalten IV
Ver Trug Ler Sprache I

«Hjngemein verbreitet ist die dialek-
^4-tische Ausbeutung der Unvollkom-
menheiten der Sprache. Zum Denken
gehören scharfe Begriffe, aber Worte
sind nicht ohne weiteres Zeichen für Be-
griffe, sie sind weniger unü sie sind
mehr. Vor allem kann man aus jedem
Worte vcrschiedene Begriffe heraus-
lesen, und ganz verschiedene Begriffe
durch dasselbe Wort bezeichnen. Stö-
rend ist natürlich niemals die rohe ünd
offenkundige Zweideutigkeit, die aus
dem Iusammenhang der Rede ohne
weiteres erkcnnbar wird. Schon durch
ein einziges Beiwort wird der Sinn
 
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