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Kunstwart und Kulturwart — 35,2.1922

DOI Heft:
Heft 11 (Augustheft 1922)
DOI Artikel:
Fischer, Aloys: Die deutsche Gewerbeschau zu München, [1]
DOI Artikel:
Fischer, Eugen Kurt: Die neue Kunst und die Kirche, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14435#0326

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leben und unsere Gesinnung noch an allen Zuckungen leidet, die mit den
unstäten Verhältnissen der Kriegs- und Nachkriegszeit verbunden sind, und
die Distanz zum Erlebnis noch mangelt, die für das künstlerische Schaffen
nicht zu entbehren ist. Ich versage es mir, auf dieseu Streit zurück-
zukommen und die.Tatsachen daraufhin zu prüfen, ob sie mehr zugunsten
der Freunde oder der Gegner der Gewerbeschau sprechen: ein abschließendes
Nrteil über den „Erfolg", soweit er sich in Käufen oder Aufträgen
meßbar äußert, ist ja auch noch nicht möglich; soweit er in der „Besucher-
ziffer" zutage tritt, kann der Erfolg trügerisch sein, durch den gesteigerten
Erlebnishunger, durch bloße Sensationslust bedingt; der andere, tiefere
Erfolg, die überzeugende Werbung für Art und Qualität unseres Schaffens,
die Anregungen für die strebenden Kräfte im Inland, läßt sich ja nicht
irgendwie meßbar ersassen. Dafür kann jeder nur von seinen eigenen
Eindrücken aus sich einen notwendig persönlich bedingten und begrenzten
Zugang eröffnen. Es mag sein, daß die seelische Amgestaltung durch die
großen Schicksale ihre sichtbare Außerung in der Kunst erst in der über-
nächsten Generation zu zeigen beginnt, daß viele Besucher enttäuscht sind,
weil sie zu wenig „Neues" sehen, die tiefsten Beurteiler unzufrieden,
weil sie auch kaum Ansätze zu Neuem, Keime einer grundsätzlich veränderten
Geistigkeit spüren. Wer solches erlebt, mag sich bewußt werden, daß
seine Erwartungen dafür in höherem Maße verantwortlich Zu
machen sind als der Wille, der die Ausstellung selbst und das, was
sie birgt, geschaffen hat. Die Ausstellung ist nun einmal da, einerlei,
ob begrüßt oder befehdet, verffüht oder nicht, sie ist — von ganz wenigen
Abteilungen abgesehen — vollendet, sie will als Tatsache genommen und
gewürdigt werden, einerlei, wie man zu ihrer „Idee" sich gestellt hat oder
noch stellt. (Fortsetzung folgt) Alois Fischer

Die neue Kunst und die Kirche

ii

«^weierlei muß unterschieden werden: die Kirche als „Gemeinschaft der
><HLiligen" und die Kirche als Gotteshaus. Die Institution also und
E^das wesentliche tzilfsmittel zu ihrer Ersüllung.

Das Gotteshaus. Wir betrachten zunächst seine Teile, weil heuts
meist eine Gesamtwirkung nicht erzielt, ja vielfach noch nicht einmal so
recht angestrebt wird, sondern Werke verschiedener Meister mit sehr ver-
schtedenem Kunstempfinden als Taufstein, Glasfenster, Kruzifixus, Chorfries
und Innenarchitektur lvereint sind zu einem zufälligen N ebeneinander.
LLngst haben ja auch die meisten verlernt, Kunstwerke anders als einzeln zu
genießen, wofern sie es nicht überhaupt nur „besichtigen", um den darge-
stellten Vorgang oder gar nur den Namen des Künstlers festzustellen.
Dieser Künstler erhält in der Regel seinen Auftrag: einmal, weil er hin-
länglich blutleer malt oder meißelt, das Gegenständliche stumpf betonend,
ohne Schwung, Kraft und Leben, dann, weil er im Ruf eines „religiösen"
Künstlers steht, denn — er gibt ja Anekdoten aus der biblischen Geschichte
wieder. Ich betone das Wort Anekdoten, will sagen: Darstellung beliebiger
Geschehnisse, Illustration einzelner Bibelworte, Uussprüche Christi oder
der Propheten, Wiedergabe beliebter Szenen wie der Speisung der Fünf-
tausend, des Gangs nach Emmaus oder ähnlicher, jede mit möglichst viel
plauderhaftem Beiwerk, also — Historienmalerei, wie sie in der
„profanen" Kunst vor längstens Iahren noch üblich war. Ist es aber nicht

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