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Kunstwart und Kulturwart — 35,2.1922

DOI Heft:
Heft 12 (Septemberheft 1922)
DOI Artikel:
Schumann, Wolfgang: Das Ei des Kolumbus
DOI Artikel:
Fischer, Eugen Kurt: Die neue Kunst und die Kirche, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.14435#0350

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hatte ich selber sein Verfahren erprobt, und nun ahnte ich schon, dcch ev
weder überrascht noch enttäuscht sein würde. Seine „Schuld" an dem Mitz--
erfolg war gering. Es war schwer vorauszusehen gewesen, daß sein Vor--
gehen durchkreuzt werden würde. In der Lat lächelte er nur, als er meine
Mitteilung empfangen hatte.

Hätte man das voraussehen sollen? sagte er. Eigentlich nicht! denn dann
hätte man weit mehr Maßnahmen treffen müssen, die vielleicht ganz über-
flüssig gewesen wären — ach was! ich habe damals mit aller Kraft über-
legt und nun ist es schief gegangen; ja, wir haben die Welt nicht in
der tzand!

Dann saß er unbeweglich ein paar Minuten. Seine Miene wurde streng
und von der Kraft des Gedankens belebt. Darauf ließ er den Bürodiener
kommen und diktierte neue Entscheidungen, welche aus seiner durchkreuzten
Maßnahme herausholten, was noch herauszuholen war, und das war viel,
wie ich erstaunt bemerkte.

Am Abend tras ich ihn wieder in Gesellschaft. Er war heiter und freien
Geistes, und ich bewunderte die innere Organisation, die ihn befähigte,
auch den Mißerfolg rasch zu „erledigen", zumal ich von anderer Gelegenheit
her wußte: wenn er eigene Mitschukd erkannt hätte, wäre er der Eifrigste
gewesen, sie mit Opfer eigener Kraft zu sühnen.

Im Frühjahr bekam ich die Aufsorderung, einer Gruppe ernst strebender
MLnner und Frauen einen Vortrag über Wirtschaftssragen zu halten. Die
B-egründung des Wunsches lautete seltsam. Die Not der Zeit, so hieß es,
zwinge so viele, sich ständig und immer wieder mit dem „elenden Kleinkram"
des Wirtschaftlichen zu befassen; man leide so sehr darunter, und man wolle
einmal etwas ernstlich Aufklärendes Hören. Ich habe den Vortrag gehalten.
Seine erste Aufgabe war, Strukturzusammenhänge zu zeigen: Faktoren der
Wirtschaft, Wirtschaftsbewegungen; danach den Einfluß auf unser Privat-
leben und Milieu. Nnd nun stand ich vor der eigentlichen Aufgabe: wie
werden wir dieses „elenden Kleinkrams" tzerr? Denn noch so klare Einsicht
in die Zusammenhänge hilft uns nicht weiter, hilft uns nicht zur Frei-
heit. Der Wille allein hebt uns empor. Da habe ich von meinem Freunde
erzählt, von seiner „inneren Organisation", von seinem wohlgelenkten Wil-
len, sich von allstündlich-nutzloser Quälerei freizumachen.

Manche haben gut verstanden, was in dieser kleinen Erzählung steckte.
Liner der Hörer sagte mir: Vielleicht ist das wirklich wieder einmal das
Ei des Kolumbus! Nnd einer sah sogar das Symbolische dieser Lösung,
die für Völker und Menschheit vorbildlich ist. Denn auch im öffentlichien
Leben gehen wir Iahrhunderten entgegen, da man den elenden Wirtschaft-
kranr mit „geballter Kraft" und mit zielbewußtem Willen „erledigen" wird
und die Kräfte des Menschheitsgeistes frei machen für Aufgaben, die andere
Mächte als Furcht, Hunger und Sorge ihm stellen. Sch

Die neue Kunst und die Kirche

m.

^^ie Lage der Kirche ist das erste, was zu beobachten ist. Sie darf im
^-H^tzäusermeer stecken nur dann, wenn diese Häuser zu ihr gehören, wie
die spitzgieblige Schar der Bürgerhäuser mittelalterlicher Städte,
andernfalls ist ein grüner Hügel, eine Gartenanlage, zuweilen und mit
Vorsicht auch ein freier Platz vorzuziehen. Früher stand der Dom als

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