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Kunstwart und Kulturwart — 35,2.1922

DOI Heft:
Heft 10 (Juliheft 1922)
DOI Artikel:
Seyfert, Richard: Der Abbau der Lehrerseminare
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Fuchs, Emil: Schutz der Ehe?
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https://doi.org/10.11588/diglit.14435#0266

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es sich um die sorgfältigste Auslese. Ist diese gesichert, dann brin-
gen die Kinder ja das Wichtigste mit, die hohen Anlagen und den eisernen
Willen, das gleiche Ziel schneller und aus steilsrem Wege als die andern
zu erreichen. Daß die Aufbauschule nicht der bequemere und lediglich
billigere Weg zur Hochschule werden dars, versteht sich von selbst. Von
manchem ihrer Verfechter wird die Aufbauschule als der Anfang zu einem
völlig andern Ausbau unseres gesamten Bildungswesens begrüßt. Aber
man follte dies der Zukunft überlassen und nicht durch Äberschwang die
Gegnerschaft unnötig verstärken helfen. Die Aufbauschule soll aber begrüßt
werden als ein Versuch, den sozialen Ausgleich an einer Stelle
anzubahnen, an der er bisher am schmerzlichsten vermißt wurde.

Richard Seyfert

Schutz der Ehe?

Ohne zu seinem Inhalt Stellung zu nehmen, veröffentlichen wir im
folgenden die Zuschrift eines evangelischen Geistlichen zu einer Tagesfrage
von weittragender Bedeutung. Gerade daß der Verfasser Geistlicher ist,
scheint uns besonders bedeutsam. Als Mitarbeiter im Kunstwart ist er
unseren Lesern seit längerem bekannt.

^»^er tzaushaltungsausschuß des Reichstags hat folgenden Antrag ge-
^^/stellt: „Für weibliche Beamte und Hilfskräfte kann die Tatsache der
unehelichen Mutterfchaft als solche nicht Grund zur Entlassung
oder Anstrengung eines Disziplinarverfahrens sein. Auch darf die Be-
förderung einer Hilfskraft zur Beamtin lediglich aus diesem Anlaß nicht
abgelehnt werden." Der Antrag ist gegen die Stimme der Sozialisten unter
Mithilfe von Führerinnen der Frauenbewegung wie Gertrud Bäumer
abgelehnt worden. — Und doch bedeutet diese Ablehnung einen Sieg
der doppelten Moral, der für die Wahrhaftigkeit unserer sittlichen Zu-
stände schwerste Gefahren mit sich bringt.

Wie es mit der sexuellen Sittlichkeit der Männer steht, wissen wir.
Es fällt aber niemandem ein, einen Mann, der uneheliche Kinder hat, des--
halb als unwürdig eines Beamten-, ja höchster Beamtenposten, zu erklären.
Auch die Frau ist imstande, eventuelle „Entgleisungen" auf diesem Gebiete
dauernd geheim zu halten, wenn sie sich schon die nötige Raffiniertheit
und Schamlosigkeit angeeignet hat. — Die Frau jedoch, die in augenblick-
licher enthusiastischer Hingabe, in leidenschaftlichem Selbstvergessen oder
hingerisfen von einem gewissenlosen Manne sich hingibt, ein Kind empfängt
und bereit ist, für dies Kind zu arbeiten und zu sorgen, diese Frau gerade
wird vom Staate, falls sie seine Angestellte ist, schutzlos gelassen. Der
Mann aber, der gemein genug war, eine Frau mit sich zu reißen und
dann sie einsam läßt, weil er — vielleicht aus Gründen seiner Karriere
oder behaglicheren Existenz — lieber eine vornehmere oder reichere Frau
heiraten will, der Mann ist nach wie vor würdig der Beamtenstellung und
macht seine Karriere, für die er sich so klug rüstet. Müssen wir Männer
es ertragen, daß solche Männer neben uns Beamtenposten bekleiden und
gar unsere Vorgesetzte sind, so wird es auch die Frau ertragen können, Kol-
leginnen zu haben, die uneheliche Kinder haben.

2.

Man sagt, um der tzeiligkeit und des öffentlichen Ansehens der Ehe
willen muß diese Ablehnung der unehelichen Mutterschaft aufrecht erhalten

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