Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstwart und Kulturwart — 35,2.1922

DOI Heft:
Heft 10 (Juliheft 1922)
DOI Artikel:
Erdmann, Karl Otto: Debattier-Technik und die Kunst, recht zu behalten
DOI Artikel:
Kuntze, Friedrich: Von philosophischem Größenwahn: an das vierte Mandel der zurzeit unsterblichen Philosophen Deutschlands
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14435#0257

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
fmdlicher Gatte hielt seiner Frau das Unzulässige ihres Verhaltens vor:
„Ich begreife nicht deine Skrupellosigkeit; ich verstehe nicht, wie du solche
Gruudsätze vertreten kannst." Worauf die Frau entgegnete: „Ia, wenn du
so dunnu bist und gar nichts begreifst und gar nichts verstehst, dann solltest
du doch lieber den Mund halten und mir als der Klügeren das tzandelu
überlassen." Der brave Ehemann war so verdutzt, daß er keine Erwiderung
fand, während die Gattin als Siegerin aus dem Zimmer rauschte. Ich habe
gefunden, daß Frauen in dieser Kampfesweise sich besonders hervortun. ^—
Vor einer ungebildeten Zuhörerschaft ist es wirkungsvoll, den Gegner durch
großen Wortschwall zu verblüffen und mit einer Flut schwer verständlicher
Fachausdrücke und Fremdwörter zu überschütten. — Auf derselben Höhe steht
auch das von Schopenhauer erwähnte „Strategem" der „Diversion": „Wenn
man im Fortgange der Disputation Merkt, daß es schief geht und der Gegner
siegen wird, so sucht man beizeiten diesem Vnfall vorzubeugen durch Ab-
lenken der Diskussion auf einen anderen Gegenstand, nämlich auf irgendeine
Nebensache, nötigenfalls durch Abspringen auf eine solche. Diese sucht mrn
jetzt dem Gegner unterzuschieben, um sie anzufechten und statt des ursprüng-
lichen Gegenstandes zum Thema der Kontroverse zu machen; so daß der
Gegner seinen bevorstehenden Sieg verlassen muß, um sich dahin zu wenden.
Sollte man aber unglücklicherweise auch hier bald ein starkes Gegenargument
auftnarschieren sehen; nun, so macht man es geschwind wieder ebenso, springt
also abermals auf etwas anderes ab: und das kann man zehnmal in einer
Viertelstunde wiederholen, wenn nicht etwa der Gegner die Geduld verliert.
Diese strategische Diversion wird man am geschicktesten dadurch ausführen,
daß man die Kontroverse unvermerkt und allmählich auf einen, dem in Rede
stehendeu Gegenstande verwandten, womöglich auf etwas noch wirklich ihn
selbst, nur in anderer Hinsicht betreffendes, hinüberspielt. Schon weniger
fein ist es, wenn man nur das Subjekt der These beibehält, aber andere Be-
ziehungen desselben aufs Tapet bringt, die wohl,gar mit dem in Rede
stehenden nichts zu tun haben; z. B. vom Buddhaismus der Lhinesen redend
auf ihren Teehandel übergeht. Ist nun aber auch nicht einmal dies aus-
führbar, so greift man irgendeinen vom Gegner zufällig gebrauchten Aus-
druck auf, um an diesen eine ganz nene Kontroverse zu knüpfen, und so von
der alten loszukommen: z. B. der Gegner habe sich so ansgedrückt: »Hier
eben liegt das Mysterium der Sache«; so fällt man geschwind ein: »Ia,
wenn Sie von Mysterien und Mystik reden, da bin ich nicht Ihr Mann:
denn, was das betrifft« usw., und nun wird 'das weite Feld gewonnen. Bietet
sich aber selbst hierzu keine Gelegenheit, so muß man noch dreister zu Werke
geheu und plötzlich auf eine ganz fremde Sache abspringen, etwa mit ja,
und so behaupteten Sie auch neulich usw." Hiermit kann man natürlich
auch leicht persönliche Ausfälle und Berdächtigungen verbinden.

(Fortsetzung folgt.) Karl Otto Erdmann

Von philosophischem Größenwahn

An das vierte Mandel der zurzeit unsterblichen Philosophen

Deutschlands.

meine lieben Brüder in Plato! Ich weiß zwar nicht, ob ich mich
^Adieser Anrede unterwinden und mit Ench sozusagen als Mensch zu
^FMensch reden darf,- denn erstens bin ich nicht unsterblich, zweitens liest
man meine Schriften jetzt und nicht wie die Euren erst in hundert Iahren,
drittens — und das ist das Schlimmste — bin ich zünftiger, staatlich ab--

223
 
Annotationen