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Kunstwart und Kulturwart — 35,2.1922

DOI Heft:
Heft 12 (Septemberheft 1922)
DOI Artikel:
Liebscher, Artur: Vom modernen Lied
DOI Artikel:
Feuerbach, Ludwig: Leben und Menschen, Schriftsteller und Bücher: von Ludwig Feuerbach
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https://doi.org/10.11588/diglit.14435#0365

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fähren Hühe unL Tiefe der Silben besitzen, kaum noch wesentlich. AllerdingL
gibt es auch unter den Musikern, die sich harmonisch zur jüngsten Gegen-
wart einschränkungslos bekennen, noch eine ganze Reihe, die im Lied den
Debussysmus ablehnen, wie etwa Wilhelm Groß in seinen Fünf Ge--
d i ch t e n (Aniversal-Edition), Bruno Weiglin seinen Fünf Gesängen
(Leuckart-Leipzig), Alexander Iemnitz in seinen Neun Liedern (Wun-
derhorn-Verlag, München) oder Erich Anders in seinen Portugiesi-
schenSonetten und den Liedern im Grünen zu singen (Iatho-
Berlin). Technisch steht keiner von ihnen hinter den Schöpfern und An°
hängern des reinen Stimmungsliedes zurück. Aber sie bewahren im Ge-
gensatz zu diesen ihre Musik vor dem Zerfließen, weil sie ihr nicht einseitig
malerische Aufgaben zuweisen, sondern sie so beschäftigen, daß sie der Hörer
in erster Linie musikalisch empfindet. So wehleidig ist die Mehrzahl der
musizierenden Menschen schließlich noch gar nicht geworden, daß sie ein
ausgesprochenes Bedürfnis hätte, sich immer nur in die Stimmung des
seelisch angekränkelten, leise leidenden Großstadtbewohners hineinzufühlen.
Iemnitzens Liedern ist sogar als seltene Gabe ein stark betontes Kraftgefühl
eigen, dem man auch, in Andeutungen wenigstens, bei Groß wieder begeg-
net. Nur verhindern Hier die japanischen Gedichte, daß es sich völlig aus-
spricht. Der Zug nach den Poesien des fernen Morgenlandes ist heute ge-
nau so zur Mode geworden wie die Vertonung der Wunderhornlieder in
jüngstvLrgangener Zeit oder die Beschäftigung mit der tändelnden Schäfer-
poesie bei den Musikern des Rokoko. Es liegt ein Reiz in der musikalischen
Erfassung des gänzlich Artfremden, von dem sehr verwertbare Anregungen
ausgehen können. Aber ihre Auswertung erfordert ungewöhnliche künst-
lerische Kräfte, wenn der Exotismus nicht zur Spielerei werden soll und
wenn sich durch die in den Vordergrund geschobene Beschäftigung mit dem
Morgenländischen die Gegenwartsmusik nicht in die Gefahr begeben will,
daß sie dem kommenden Geschlechte dasselbe LLcheln entlockt, mit dem wir
heute die musikalische Schäsermode der Rokokozeit betrachten.

Artur Liebscher

Leben und Menschen, Schriftsteller und Bücher

Von Ludwig Feuerbach

fLudivig Feuerbachs Todestag jährt sich am 13. September zum fünf-
zigsten Male. Wohl wird sein Hauptwerk, „Das Wesen des Christentums", auch
wohl das umfassendere, aber farblosere Buch vom „Wesen der Religion" noch
häufig gelesen; wohlfeile Volksausgaben sorgen für die Verbreitung beider
Schriften. Dennoch ist der Sensualist Feuerbach der unsrige nicht mehr.
Er hat Hegel „überwunden", wir kehren zu ihm zurück. Er sagte jeder
meiaphysischen Spekulation den Kampf an, wir haben, auf dem Weg über
eine neue Romantik und die wiederentdeckte Mystik alter Zeiten und vieler
Völker, eine neue positive Einstellung zur Metaphysik gewonnen und sind
von allem reinen Sensualismus und Psychologismus wieder weit abge-
rückt. Kurz: Feuerbach ist ein Sohü des neunzehnten Iahrhunderts, wir
aber gehören dem zwanzigsten. Seine Haupttheorie, daß der Mensch in
seiner Gottesvorstellung nur seinen eigenen idealisierten Gattungsbegriff
anschaut und im Glauben für wirklich hält, interessiert uns nicht allzusehr,
zumal sie Allgemeingut geworden ist. Seine Leugnung der Nnsterblichkeit
in der früheren Schrift „Gedanken über Tod und linsterblichkeit" erregk,

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