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Kunstwart und Kulturwart — 35,2.1922

DOI Heft:
Heft 8 (Maiheft 1922)
DOI Artikel:
Schumann, Wolfgang: Arbeit und Romantik
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https://doi.org/10.11588/diglit.14435#0084

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Arbeit und Nornarttik

ls der deutsche Naturalrsmus in den achtziger Iahren „kam", haben
I einige Weitschauende gemeint, er sei nur die Epoche der Eisenzufnhr
das allgemach verdünnte Blut des Schrifttums, nicht die Aber»
windung und endgültige Ertötung deutscher Romantik und ihrer blutleeren
Nachfolge, wie die ganz Folgerichtigen und die ganz Begeisterten sagten, son-
dern die Antäus-Berührung deutschen Menschentums mit dem harten, aber
zeugungkräftigen Boden der Wirklichkeit, nach der sich der neu befruchtete
Geist umso höher uud freier emporschwingen werde. So glaubten Viele und
sahen eine neue „romantische" Epoche voraus. Ein scharfer Blicker wie
Otto Brahm gehörte zu ihnen.

Wir, die wir dreißig Iahre später leben, haben es leicht, Prophezeiung
und Propheten zu belächeln. Schwerer ist es, Wahres und Falsches, Wunsch
und Nrteil in jener Vorausschau zu scheiden. Wahr ist geworden, daß der
blanke Naturalismus rasch vorüberging; wahr, doch darum noch vielleicht
kein Segen . . . Falsch war die Ahnung, eine Romantik, der alten sichtbar
und fühlbar ähnlich, werde sich anschließen. Wohl, unter allen den Stil-
„Ismen", die rasch auf den Plan, eigentlich mehr auf den „Markt" kameu,
war auch eine Gruppe von Werken, die man vielfach als „neuromantisch"
bezeichnete. Aber ihre „blaue Blume" war aus Papier! und zwischen
neuklassischer Experimental-Literatur, neuem historischem Romanschaffen,
expressionistischer Schilderhebung und drei oder vier Tochtergruppen des
Naturalismus versank sie rasch.

Ist damit der Wunsch nach Romantik, der in jener Prophezeiung steckte,
ein für allemal begraben? Sicherlich nicht. Er ist ewig, wie die Sehn-
sucht nach Frühling, Liebe, Glück. Nur, uns ein Menschenalter Voran-

Maiheft tS22 (XXXV, s)

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