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Kunstwart und Kulturwart — 35,2.1922

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Heft 10 (Juliheft 1922)
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Vom Heute fürs Morgen
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Unsre Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.14435#0282

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drängt, wo nur die religiöse Erregung
des Einzelnen selber oder an seiner
Stelle die eines großen Künstlers Ech--
tes und Lauteres bilden könnte? Ä.

Welterlösung

Wenn nicht mehr Aahlen und Figuren
Sind Schlüssel aller Kreaturen,

Wenn die, so singen oder küssen,

Mehr als die Tiefgelehrten wissen.

Wenn sich die Welt ins freie Leben
Und in die Welt wird zurückbegeben,
Wenn dann sich werden Licht und

Schatten

In echter Klarheit wieder gatten
Und man in Märchen nnd Gedichten
Erkennt die wahrew Weltgeschichten,
Dann flieht vor einem geheimen Mord
Das ganze verkehrte Wesen fort.

Novalis

Unsre Bilder und Noten

uf Paul Leschhorns „Rnine Fleckenstein" ist Schwarz und Weiß bear-
beitet, daß die Sonne zu brennen nnd der Schatten zu kühlen scheint. Man
"^^steige einmal in der Phantasie von links her den Bäumen uach hinauf
zur Burg, man wird überrascht sein, wie das fast körperlich wohl tut. Der Phan--
tasiegenuß des Nacherlebens, also des Mit-Erlebens mit dem Künstler kommt
bei diesem Blatt in ungewöhnlicher Stärke zu seinem Necht. Doch ist der Schnitt-
druck auch rein graphisch, als „Ornament", als Linien- und Flächenspiel voller
Leben, und dabei mit seinem Vorherrschen der nur von einer Gipfelung besiegten
Diagonale ganz einheitlich in seiner Kraft.

Das farbig wiedergegebene Anselm Feuerbachsche Puttenbild hinter un-
serm Text ist allbekannt, doch besitzt es nicht jeder in seiner „Hausbilderei", und
mir scheint, es sollte es jeder drin haben. Badende Kinder, die durch Hirsch und
Hirschkuh lerse beunruhigt werden, die drüben in der Ferne aus dem Walde ans
Wasser getreten sind. Viele Betrachter des Bildes bemerken dieses Motiv nicht
einmal, und doch ist es nicht gleichgültig, da es eine feine Heiterkeit ius Bild
bringt. Den Hauptreiz gibt ihm freilich die Naturschönheit des Kleinkinderkör-
pers, Feuerbach hat sie bekanntlich auf das eindringlichste studiert, denn ihm galt
ja insbesondere das römische Kind als das Schönste, was Menschenschönheit über-
haupt zu geben hat. Mer die Eeschichte der Amoretten kennt und Freude an
den kleinen „Rudi" der Alten hat, weiß, daß Feuerbach hier ganz antik empfand.

Das Bild im Text, eine Federzeichnung „Grab unter Lannen", soll dis Leser
auf das „Kunterbunte Bilderbuch" von Rudolf Sievers aufmerksam machen,
das in Iulius Zwißlers Verlag imWolfenbüttel erschienen ist. Bin ich dem Bilde
gegenüber befangen, weil es mich berührt, als hätte der gefallene Künstler seinen
eigenen frühen Tod hier vorgeahnt? In diesem Tannenleben überm Grabe vor
dem feierlichen Himmelslicht ist für mich mehr als ein zeichnerisches Motiv. Das
Buch bringt rund ein halbes Hundert unter sich sehr verschiedenartiger und
verschiedenwertiger Einfälle und Ausführungen des uns zu früh Genommenen.

Die Kopfleiste über der ersten Seite ist ein Spielmannbild von Rudolf Sieck. !A!.
7z u unserer Notenbeilage lese man die beiden Aufsätze in diesem Hest über
<)Othmar Schoeck von Hans Corrodi.

tzerausgeber: Prof. Or. b. c. Ferdinand Avenartus in Dresden-Blasewit!- Berantwortlich: i. A.
Wolfgang Schuinann, Dresden-Blasewitz. Mitleiler: Or. E K.Fischer. Inösterreich verantwortlich:
tzofrat Or. Karl Eiannoni, Mödling bci Wien, Dominikanergasse tb. Sendungen für den Text
ohne Angabe eines Personcnnamens an die «Kunstwart-Leitung" in Dresden-Blasewitz —
Manuskripte nur nach vorherigerDereinbarung, widrigenfalls keine Verantwortnng über-
nommen werden kann — Aerlag von Georg D. W. Lallweh, Druck von Kastner L Callwey, Buchdruckere
in München — Geschäftsstelle für Berlin: Georg Siemens, Vi' L7, Kurfürstcnstratze 8.
 
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