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Kunstwart und Kulturwart — 35,2.1922

DOI Heft:
Heft 10 (Juliheft 1922)
DOI Artikel:
Schumann, Wolfgang: Gedichtbücher
DOI Artikel:
Winckler, Josef; Viertel, Berthold: Gedichte von J. Winckler und B. Viertel
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https://doi.org/10.11588/diglit.14435#0235

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einer wundersamen Keuschheit, die auch das stärkste Gefühl nicht hem--
munglos ausströmt, das leidenschaftliche Erlebnis nicht klangberauscht hin-
wirft, immer sprachlich gezügelt, „sachlich" bleibt, und doch gewittert es
in jedem Wort von dem blitz- und donnerdurchgrollten Herzen, und doch
ist keins dieser Gedichte nüchtern, doch „versteckt" sich nie ein Innerliches
darin, bietet es sich rein, unverstellt, demütig-selbstbewußt uud ohne falsche
Scheu dar. tzier ist die Grenze von Viertels Lyrik; sie ist nirgeuds Ge-
sang, nirgends Feier, nirgends Blüte, nirgends freigebiges Geschenk. Ich
begreife dies sehr wohl; nach so viel Iahrzehnten blühend-klingender Lyrik
lauert in jedem Volkslied-Ton, Goethe-Ton, Schiller-Ton, Keller-Ton,
Liliencron-Ton, Dehmel-Ton, in allem linknappen und Beschwingten die
Eefähr, literarische Erinnerung statt eigner Prägung zu geben, Abglanz statt
Ligenglanz. Es ist vornehm und klug zugleich, dies mit Strenge zu meiden;
kommt wie bei Viertel eine natürliche innere Neigung zu leisen Tonarten
hinzu und die unvirtuose aber überlegene, bis zum lächelnden Spiel über-
legene Geschicklichkeit kurzer Prägung, daun entstehen Gedichte, die kaum
je ganz unmittelbar, doch stets echt und oft zwingend wirken. Durch ihre
Technik noch drücken sie eine Persönlichkeit aus. Sie bleibt haften in der
Erinnerung; leidend und erregt, selten froh, nie jauchzend; wandernd uuter
dem antreibenden Gebot des Dämons im leicht wallenden Blute; gehorsam
innerfter ethischer Entschiedenheit; fühlsam wie der entblößetste Nerv, bieg-
sam wie die stählerne Klinge; allem und jeglichem Menschlichem verwandt;
mit Güte, Verzeihen, Lächeln, einem kindlich-guten Lächeln begabt und mit
der Kraft nie ausweichenden Willens. Linsam, zag und unerlöst, uner-
lösbar vielleicht und sogar wissend um dieses. . . ein Dichter mitten in
der Zeit, von der er nur das Seelische erlebt, und dadurch gedrängt auf
eine Bahn, die neben ihr verläuft ins Ewige. W. Sch.

GedichLe von Z. WinckLer und B. Viertel

Aus Iosef Wincklers .Prrgarten Gottes^

L>romethens und Lhristns.

Da Lhristus auferstanben war

Unö vom Grabe kam, schien wie Monölicht klar

Sein verklärter Lcib, unö er schwebte wunderbar.

Noch einmal besuchte er all die tvrte,
wo öurch Gnaöcnwert unö Kredigtworte
Lr den tSeelen geöfsnet die Ljimnrelsxforte.

Ging nach Lmmaus öurch das Ährenfeld
tliit den Iüngern, hat sich öen Lraucn gesellt,

Lustwandelnd durch seine alte, liebe lvelt.

Luhr noch einmal im Äahn auf dcm stillen See
Genezareth, stieg auf Golgathas Vöh,

Oatz er noch cinmal auf Ierusalern seh.

Schlcndert öen ganzcn Leiöensweg lächelnd still.

Nach unsäglichen Ängsten, o lvohlgefühl,

Nun quill, beglückcnde Tränc, quill!

Änd lautlos trat er zur LNutter Lliaria

Anb träumte im lvcingarten dcs Iosef von Arimathia.

20s
 
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