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Kunstwart und Kulturwart — 35,2.1922

DOI Heft:
Heft 11 (Augustheft 1922)
DOI Artikel:
Schumann, Wolfgang: Mord
DOI Artikel:
Bernhart, Joseph: Zur Frage der Religion: noch einmal das Unerschöpfliche
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https://doi.org/10.11588/diglit.14435#0292

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können das nicht nnd wir dürfen es nicht. Das Werk ber Menschheit-
entwicklung will getan werden, von jedem an seinem Ort. Nicht als ob
wir mit weichen Händen den harten Stoff bilden und formen sollten.
Hart will er gefaßt sein, nnd ohne Härte bewegen wir nicht das kleinste
Rad des irdischen Uhrwerks. Aber auch die kleinste, unscheinbarste tzärte
ist nur gerechtfertigt, wenn ihrs Notwendigkeit vor dem reinsten Gewissen
besteht und in der stillsten Kammer der Besinnung geprüft ist. Iegliche
tzärte der Tat, und es wird bitter harter Taten noch bedürfen, wird nur
dann sruchtbar sein, wenn sie unserm innersten Gewissen äbgerungen ist
und wir hosfen dürfen, sie vor den Mächtsn verantworten zu können.
Wenn die Wildheit unserer blinden Wünsche und der tzochmut einer
Klugheit, die alles und auch sie „rechtfertigt", abgetan ist, dann findet das
Gift keinen Eingang mehr und die schwelenden Wolken werden vsrgehen
im Windhauch.

Mord! stöhnt es über Deutschkands schöne Fluren hin seit dem Tage,
da der fiel, dessen herzliches Sehnen „eine neue Gottesverantwortung"
war. Mord! wildes, rasendes, entmenschtes Geschehnis von Menschenhand.
Dem Schrecken gesellt sich düstere Ahnung abermals, wie tief wir noch in
Schlamm und Staub und Vergiftung verharren und weiter versinken wer-
den. Sühne wird vielleicht geschehen, neue Ordnungen werden erkämpft
iwerden mit tzärte. Das muß nun so sein. Aber der Geist des Mordes, der
so unselig-grauenvoll uns erzittern läßt, wird so nicht überwunden werden.
In uns liegt das Begehren nach der süßen Frucht, auf unserer Stiru
das Aeichen Kains, und in unserm Herzen das Sehnen nach der Heim-
kehr, an das wir wieder glauben lerneu müssen. Nnd solcher Glaube allein
wird den Blitz ableiten, der aus vergistetem Meuschtum emporzuckt wider
den Bruder, wider uns selbst. Sch.

Zur Frage der Neligion

Noch einmal das Llnerschöpfliche

^fV^e-as im Iuliheft vou Wolfgang Schumann über „DasNnerschöpfliche"
V^gesagt wurde, wird Menschen von gleicher Fühlweise zum vollen,
unbedenklichen ga bewegen. Es gibt indes rroch eine zweite Art von
Naturen. Sie werden sich mit solcher Bstrachtung einig wissen, weil sie
mit derselben inneren Sehweise begabt und vielleicht auch denselben Weg
der Erfahrung gegangen sind; aber gerade die Stufe „Mensch" wird ihnen
nicht die letzte sein, weil sie auch hier das Nnerschöpfliche nicht finden konn-
ten, noch weniger vielleicht als in der Arbeit, in der Bildungswelt oder
Natur, uud sie werden die flüchtig berührte Stufe der „Religion" un-
bedenklich für die letzte, die wahre Unerschöpflichkeit verheißende nshmen,
sslbst dann, wenn sie noch gar nicht Fuß auf ihr gefaßt. Aber noch
eine dritte Art von Naturen gibt es: Menschen, die so sicher und gefestigt
auf der religiösen Stufe stehen, daß sie alles andere unter sich lasseu.
Die einen von ihnen — darin hat sich die Familie der Religiösen immer
geschieden — werden jene Bezirke der Regsamkeit und des Genusses nicht
aus Ermüdung und Enttäuschung verlassen, sondern in der Erkeuntnis,
daß die Welt nur Abgüter eines höchsten Gutes zu bieten hat; die andern
aber werden über die Botschaft erstaunen, daß es etwas geben soll, das
nicht unerschöpflich und nicht ein Zeichen des Ewigen sei. Sie können
niemals mit den Dingen fertig wsrden, wie sie's auch nicht dahin komnwn

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