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Kunstwart und Kulturwart — 35,2.1922

DOI Heft:
Heft 10 (Juliheft 1922)
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Kuntze, Friedrich: Von philosophischem Größenwahn: an das vierte Mandel der zurzeit unsterblichen Philosophen Deutschlands
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Seyfert, Richard: Der Abbau der Lehrerseminare
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https://doi.org/10.11588/diglit.14435#0262

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Begriffsvermögen nicht entfernt Schritt zn halten befähigt ist. Das sind
die Lrnsthaften unter unseren Ansterblichen, unglückliche Menschen: Raf-
faele, die ohne Arme geboren sind. Dies gewaltige, von keinem Erden-
auge je erschaute Ziel steckt aber doch in den großen Intnitionen, mit
denen sie hantieren, und ihre antezipierende, Lücken mit Werten ausfüllende
Phantasie glaubt, das; sich ihr die Erfüllung dargestellt Habe. Damit
rücken die Besten unter ihnen — an sie habe ich mich hier nicht gewendet —
an die Sphäre der grotzen Visionäre in der Philosophie, Iakob Böhm
und Plotin, heran. Diese täten besser, gerade auf das Arme, Unvollkom--
mene des Fertigen hinzuweisen, das sie vorzulegen haben; vielleicht
fänden sie dann einmal einen Interpreten, der ihre Ahnungen ebenso
in die Sprache der Begriffe übersetzte, wie Waxwell den Visionen Faradays
die Sprache der Integralrechnung gegeben hat. — Die anderen? Sie
sind eigens dazu geschaffen, dem Verleger, Kritiker und Leser das Leben
zu verbittern. Nur für den Psychologen sind sie lohnend. Meist wird
er finden, daß eines der Instrumente, dem der Menschengeist einen Teil
seiner größten Fortschritte verdankt, die Analogie, eine verhängnis-
volle Rolle gespielt hat. Iene teilweise Ahnlichkeit eines Erscheinungs-
gebietes mit einem anderen, die wir so oft treffen, verstattet es in der
Tat, bis zu gewissen Grenzen, das eine Gebiet durch das andere zu er-
klären; indessen wird diese Methode sicher in die Irre führen, wenn
sie nicht von der schärfsten Kritik bsgleitet ist — nnd an der pflegt es
unseren Leuten eben zu sehlen.

Und die — moralisch — anderen? Von ihnen, den geistigen tzoch-
staplern, habe ich hier die Motive nicht untersuchen wollen. Ich fürchte,
daß sie ebenso schmutzig, wie ihre Träger zahlreich sind. Iedenfalls
lasse man sich von ihnen nicht verblüffen, sondern halte seine Zeit ebenso
fest, wie ihren Zeiger, die Uhr. Die Großen haben groß von sich gesprochen,
ganz gewiß, aber diese Grandseigneurmanier ist auch am leichtesten zu
kopieren. Findet man sie im Eingang zn dem Werke eines bislang voll-
kommen unbekannten Autors, so lasse man sie sich als ein Warnungs-
signal vor dem Weiterlesen dienen. Friedrich Kuntze

Der Abbau der Lehrerseminare

i»^n den wenigen Sätzen der deutschen Reichsverfassung, die ohne Aus-
^M sprache und ohne Widerspruch von allen Parteien einmütig angenom-
^^men worden sind, gehört die Bestimmung in Artikel 143: Die Leh-
rerbildung ist nach den Grundsätzen, die für die höhere
Bildung allgemein gelten, einheitlich für das Reich zu
regeln. Es wäre wahrscheinlich besser gewesen, wenn damals in Weimar
die Kämpfe schon erledigt worden wären, die um diesen Satz jetzt eingesetzt
haben. Da nun aber an eine Verfassungsändsrung nicht zu denken ist,
müssen sich wohl oder übel auch die Gegner einer Nmgestaltung der Lehrer-
bildung mit dem Satze abfinden. Auch auf dem Wege der Auslegung ist
nicht viel anzufangen, denn die Sprache dss Satzes ist eindeutig und hin-
länglich klar. Man versucht es nun zwar auf dem Wege der Verschleppung
und verschanzt sich dabei hinter die Kostenfrage, aber es läßt sich leicht nach-
weisen, daß die unmittelbaren Kosten die heutigen Aufwendungen des
Staates wenig oder gar nicht übersteigen werden, daß in einigen Län-
dern, beispielsweise in Sachsen, sogar Ersparnisse eintreten, nur daß die

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