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Kunstwart und Kulturwart — 35,2.1922

DOI Heft:
Heft 10 (Juliheft 1922)
DOI Artikel:
Fischer, Eugen Kurt: Die neue Kunst und die Kirche, [1]
DOI Artikel:
Corrodi, Hans: Othmar Schoeck
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https://doi.org/10.11588/diglit.14435#0228

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tensität des Lebens hat Formen angenommen, aus denen die besten der Zeit
ihre Mitmenschen erlösen wollen. Die Landeskirchen beginnen ihr Ver-
sänmnis zu erkennen und neue Fühlung zu suchen mit denen, die früher
einmal zu Recht „Gemeinde" hießen und die in anderen, in politischen,
wirtschaftlichen und sportlichen Verbänden mehr Befriedigung zu finden
begannen als in religiösen, die immer weniger einem Bedürfnis der in
hastigem Erwerbskampf und Nervengenuß tzineingetriebenen entsprachen.
Skepsis gegenüber einer neuen Gemeinschaftskirche ist am Platze. Sie
könnte vielleicht Krone einer durchgeführten neuen Lebensordnung sein,
nie aber Fundament. Vorläufig, vielleicht aber auch immer wird an
Stelle der einen Glaubensgemeinschaft eine Vielzahl voneinander unab-
hängiger Gemeinden entstehen, die sich verstehen können, ohne zusammen-
zugehören. Daß zunächst eine einheitliche neue Volkskirche vorbe-
reitet wird, ist begreiflich und gut. Der Blick aufs Ganze ist immer ge-
sünder als der Sektengeist, selbst wenn größere Einheiten sich gar nicht
mehr zusammenballen lassen. Die „neue Kirche", wie sie den Einsichts-
vollsten als erreichbares Ziel vorschwebt, soll die alte, christliche Kirche
in verjüngter Gestalt sein, befreit vom Schlackenwerk, Staub und Moder
der Iahrhunderte. Wie ihre Lehre im einzelnen aussehen wird, berührt
uns hier nicht, ebensowenig, ob sie auf Die Dauer nötig sein wird, berührt
neuerer, aus dem Bedürfnis unserer Zeit geschaffener Formen geistiger
Gemeinschaft. Wir wollen nur wissen, was die Kunst ihr und was sie der
Kunst sein kann.

Othmar Schoeck

^»^ia HLtten wir wieder einmal ein junges frisches Talent im deutschen
ILiederwald, einen von jenen, denen Gesang gegeben ist. . . . Mit
den oben angesührten Gesängen hat sich Schoeck Sitz und Stimme
innerhalb der modernen Tonltzrik erworben, und wir dürfen an diese
Erstlinge einen reichen, den gemeinen Effekt verschmähenden Talentes noch
schönere tzoffnungen knüpfen." Mit diesen Worten begrüßte vor dreizehn
Iahren Friedrich Mayer im Kunstwart die ersten Gesänge des jungen
Schweizer Komponisten Othmar Schoeck.

Heute gehört Schoeck nicht mehr zur jüngsten Generation der Schaffenden.
s886 in Brunnen am VierwLldstättersee geboren, wuchs er in glücklichen Ver-
hältnissen auf, inmitten alter Kulturtraditionen, in lebhafter geistiger Umge-
bung, in steter Gemeinschaft mit einer herrlichen Natur. In seinen Lie-
dern lebt davon ein traumhaft tiefes, aus der Erde gesogenes Naturgesühl,
ein beglückendes Sicheinsfühlen mit allem Naturgeschehen, das Erbe seiner
schönen tzeimat. Die verwirrende Vielseitigkeit des Talentes, die Gottfried
Keller so viel zu schaffen machte, ließ auch ihn irren; unter dem Linfluß des
Vaters, eines Landschafters, wandte er sich der Malerei zu, wLhreud bereits
in naivem Schaffen ihm ein Lied erblühte, wie sein „Ruhetal" (Nhland, Op. 3,
Nr. tz. Max Reger, aus die Lieder des Neunzehnjährigen aufmerksam
gemacht, lud ihn dringend ein, sein Schüler zu werden, und Schoeck folgte
dem Rufe; doch war er schon eine so ausgeprägte und eigenwillige In-
dividualität, daß Reger keinen Einfluß mehr auf sein Schaffen gewann
und ihre Wege schon nach einem Iahre wieder auseinander gingen. So
ist Schoeck im wesentlichen Autodidakt. Singen und Sagen lernte er
nicht bei lebenden Meistern, sondern bei den Toten, vor allem bei seinen
großen Meistern: Mozart und Schubert. Im Iahre 1,909 erschienen seine
 
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