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Kunstwart und Kulturwart — 35,2.1922

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Heft 7 (Aprilheft 1922)
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Corbach, Otto: Drei Jahre in Südrußland
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Avenarius, Ferdinand: In Krankheit
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Bernhardt, Josef: Aus Joseph Bernharts "Kaplan"
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https://doi.org/10.11588/diglit.14435#0027

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solchen Verhältnissen sich um unlösliche Probleme zu mühen und dabei
immer mehr zu vereinsamen, unter denen sich das Leben wie das der
Goetheschen problematischen Naturen „ohne Genuß verzehrt", machte mich
für materielle Lntbehrungen unempfindlich. Gleichwohl freut es mich
heute, soviel russisches Revolutionsleid durchgekostet zu haben; denn dieses
Leid ist in seiner Gesamtheit der Preis für das künftige Glück der Kultur--
menschheit, und mir wie vielen „tzeimkehrern" erscheint die Art und Weise,
wie man in Sowjetrußland leidet und duldet, immer noch menschenwürdiger
als die Art, wie in der Heimat vielzuviele genießen und sich amüsieren
und einem Abgrund entgegentänzeln. Otto Corbach

Im nächsten Heft wird ein Aufsatz Corbachs über das Schicksal der deut-
schen Bauernkolonien in Rußland folgen. Kw.-L.

In Krankheit

D«r Tag ist matt unö ist doch roh,

Und rvas drin brennt, verbrennt wie Stroh,

Der Tag ist eng und neu und tlein
Und lärmt in alle winkel ein
!was morgens um ein lverden rvirbt,

Dann hastet und zum Abend stirbt.

Nomm, Nacht, die tief in allem lebt,

Du große, und im Schrveigen rvebt,

^eb rvieder um den Lrdenöom
Den uralt heiligen öunkeln Strom —

Der Tage Zitterfünkchen-kjauf,

Mit öeinen tvogen nimm ihn auf
Und rviege du und füge du
Ihn leise heim in deine Ruh!

F. Av.

Aus Joseph Bernharts „Kaplan"

sRückhaltlos trete rch für dieses Buch ein. Es stammt aus dem „katho-
lischen Lager". Nein — dieses Wort erinnert an Kampf und Parteiung und
muß von dem „Kaplan"-Buch fernbleiben. Es ist ein katholisches Buch,
ja, und darin liegt für uns andere schon an sich ein besonderer Wert,
da es Gesinnungen, Erlebnisse, Geistigkeit und äußeres Leben katholischer
Art außerordentlich klar und greisbar, weit und tief erschließt, eine uns
zumeist verschlossene „Welt" mit kluger, fühlsamer Hand auftut; aber dieser
besondere Wert könnte ja in schlichter, undichterischer Schilderung ebensogut
gegeben sein. Ganz zwingt dieses Buch durch die milde Reife der dichteri-
schen Persönlichkeit, die es so und nicht anders gestaltet hat. Milde Reife
— wieder ein Wort, das nicht ganz und gar passen will, nicht den Herzton
des Werkes trifft. Man könnte da denken, es sei ein Rückblickwerk, Rück-
schau eines Alten auf die Gehalte seines Lebens. Das ist es nicht.
Wohl ist es mild und reif, aber auch männlich, kraftvoll, fest, ja voll ge°
bändigten Dranges und voll Geduld aus großem, bewegtem Herzen.

Es sieht aus wie die Lebensgeschichte eines Kaplans vom Tag der
ersten Amtshandlung an bis zum unentrinnbaren Abschied vom Priester-
stande. Es ist auch eine solche Lebensgeschichte, gedrängt voll von dem
 
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