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Kunstwart und Kulturwart — 35,2.1922

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Heft 10 (Juliheft 1922)
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Corrodi, Hans: Othmar Schoeck
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Schumann, Wolfgang: Gedichtbücher
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https://doi.org/10.11588/diglit.14435#0231

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sönlrchen Ton, ihren individuellen Rhythmus. Daß er dieses Werk übri-
gens nicht aus reaktionärer Gesinnung, aus Vorliebe für die Mischung
von Dialog und Gesang schrieb, sondern angezogen durch die lyrischen
Perlen, bewies seine komische Oper „Don Ranudo". Diese stsllt eine Art
Synthese der Mozartschen und Wagnerschen Form dar,- man findet da das
Leitmotiv vorsichtig verwendet, dabei aber doch immer wieder das Streben
nach geschlossenen Formen und musikalischer Entwicklung. Das Werk ist
eine entschiedene Absage an das Musikdrama,- nicht mehr der „natürliche"
Verlauf der tzandlung ist maßgebend für die Entwicklung der Musik, son-
dern Rhythmus und Form der Musik bestimmen das Tempo der Hand-
lung. So sließt diese denn, von heitern Rhythmen sortgerissen, rasch und
lebendig dahin, in Momenten der seelischen Spannung aber scheut sich
Schoeck nicht, sie anfzuhalten und diese Spannung in lyrischen Lrgüssen
zu lösen. Trotzdem ist diese Oper merkwürdig unlyrisch,- sie ist durchaus
auf die Darstellnng des Helden, Don Ranudo, eines zweiten Don Quixote,
gestellt, dessen Adelshochmut trotz seiner Armut an Wahnsinn grenzt und
ans Tragische streift. So ist Schoecks Oper eigentlich eine musikalische Cha-
rakterkomödie.

Lyriker ist Schoeck anch in seiner Violinsonate, seinem Streichquartett und
seinem Violinkonzert: an Stelle sinfonischer Gestaltung nach akademischem
Muster tritt ein lyrischesAusspinnen blühend melodischer Gedanken. Auf diese
Seite seines Schaffens einzugehen, fehlt uns hier diesmal der Ranm. Indes
sei eines Heftes von Klavierstücken noch gedacht, die der Komponist jüngst
erscheinen ließ. Es enthält eine „Consolation": durch Schmerz und Qual
ringt sich die Musik in modern polyphoner Stimmführung empor zu
Augenblicken reiner Wehmut, durch Tränenschimmer aufblickender Er-
lösung und sinkt zurück in tiefe Beruhigung-* serner eine „Toccata", die,
fast durchweg einstimmig, prasselnd und sprühend vorüberrauscht, ehern
im Klang, herb und groß in der Empfindung.

Die meisten modernen Komponisten haben sich dem Orchester und den
großen Formen zugewendet. Der reichste und stärkste Teil von Schoecks
Schaffen gehört dorthin, wo Musik von je liebevollste Pflege gefunden
und beglückend geblüht hat: in den intimen Kreis des Hauses. Zu dem
Reichtum der deutschen Hausmusik bringt er etwas von der Eigenart der
großen schweizerischen Dichter und Maler: von der blühenden Fülle und
der erdenschweren Schönheit Gottfried Kellers, etwas von der versonnenen
Liebe und träumerischen Stille Albert Weltis. Seine Musik ist Freude,
Frohmut und Beglückrmg, reine Sprache der Seele. Hans Corrodi

Gedichtbücher

Wincklers großer Zhklus „Irrgarten Gottes" oder Die

C Komödie des Chaos (Diederichs, Iena, (922) bezeugt aufs Neue, welche
^FFlammen der Weltkrieg in die Seelen warf, mochten sie nun alsbald in
„Kriegsdichtungen" wieder hervorbrechen oder erst spät und nach anderen
Richtungen hin weiterwirken. Iosef Winckler erlebt beides. Seine Kriegslyrik
gehörte zu den überraschendsten Zeugnissen eigenen Erlebens der Zeit; und
das neue Werk zeigt ihn hinausgetrieben aus die Pfade der Weltbetrach-
tung, der Sinn-Ergründung, der Philosophie, der letzten Erschütterungen
einer irrgewordenen, in Suchen und Tasten und immer erneutes Grübeln
hineingestoßenen Seele.

* Dleses Klavierstück bildet die Notenbeilage des vorliegenden Knnstwarthefles. K.-L.
 
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