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Kunstwart und Kulturwart — 35,2.1922

DOI Heft:
Heft 7 (Aprilheft 1922)
DOI Artikel:
Bernhardt, Josef: Aus Joseph Bernharts "Kaplan"
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https://doi.org/10.11588/diglit.14435#0038

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davo/ sagte er, „wenn i woiß, wie all die Stoiner hoißet — sag mir nur
einer: was han i denn davo!" Sffnete das Fenster und feuerte Stück für
Stück alles in den Garten: Kies zn Kies — der Teufel hol die Wisfen-
schaft! Dann schaffte er ein Fernrohr an und guckte einsn ganzen Sommer
nach den Sternen, zu guterletzt aber meinte er, er habe nichts vor dem
Hund voraus, der den Mond anbelle, und warf den Tubus in die großs
Truhe mit der Aufschrift Ignoramus, wo alles durcheinanderlag, was
sein Herz betrogen hatte. Er hockte einen Winter lang über der Nie-
derschrift eines philosophischen Traktats, und als die Blätter fausthoch
angewachsen waren, setzte er den einen Teil an der Zigarette — er
rauchte viel und nur vom Besten — zur Erwärmnng seines Tees in
Brand, den andern warf er in die Ignoramus-Kiste. War er nicht zu
Hause, so lief er in der Stadt von einem Hörsaal in den andern, rannts
den weisesten Magistern in die Wohnnng und erforschte sie auf Herz
und Nieren: „Herr Geheimrat, glanben Sie an Gott?" Die Herren sagten
weder ja noch nein und verwiesen den Frager auf seinen eigenen Beruf
samt bezahlter Götterkunde. Er fuhr dann stracks zu einem hohen Kirchen-
mann, seinem „Kaiphas in dsr Spitzkapp", und trug ihm seine Zweifel
vor. Er finde in puncto Kirche, Klerus usw. vieles in hellem Widsrspruch
mit dem Evangelium, er verwerfe den Eid, das Zwangsgebet und wolle
fortan für das Messelesen keine Gelder nehmen. Sie wollen also nicht
schwören? — Nein, Euer Gnaden, denn es steht geschrisben: Ihr sollt
überhaupt nicht schwören. — So, und das Brevier? — Es steht geschrieben:
Wenn ihr betet, macht nicht viele Worte. — Und Sie sträuben sich, Meß-
gelder anzunehmen? Wissen Sie nicht, daß Sie damit an eine von alters ge-
heiligte Sitte rühren? — Sitte hin, Sitte hsr, das ist Simonie, Gnaden-
handel! — Herr, wo kämen wir da hin! Aus Ihnen spricht der Geist des
Aufruhrs, aus Ihnen spricht Fleisch und Blut. Wo kämen wir da hin!
Das ist mir sehr intsressant. Ich danks Euer Gnaden und empfehle mich.

— Von Stund forschts unser Pfarrer wieder nach dem wahren Christentum.
Er leerte seinen diebessichern „Ablaßkasten" und schickte, indem er die
Verpflichtimgen sür sich behielt, die Silberlinge an die höchste Stelle,
taufte und begrub umsonst, schrieb unter das Bildnis jsnes Kaiphas „Doctor
utriusque juris, nämlich Recht und Nnrecht" und warf es in die Truhe
Ignoramus. Von oben her gesandt erschien zu gütlicher Vermahnung der
Dekan und prüfts ihn des Nähern auf seine Gesinnung. — Herr Pfarrer,
wis kommen Sie zu solchen Anschauungen? — Ganz einfach, Herr Dekan.
Kennen Sie einen gewissen Iesus aus Palästina? Bei ihm finds ich, je
länger je mehr, diese eigentümlichen Ansichten. Ich empfehle Ihnen diese
Schriften. — Also Rsnitenz, Herr Pfarrer! Es tut mir leid, das kon-
statieren zu müssen. Sie sollen sich auch über das Brevier eine unge-
ziemende Außerung erlaubt haben. Was haben Sie zu erwidern? — Ich
habe zu einem skrupulanten Konfrater gesagt: Meinst, unser tzerrgott kann
net einschlafe, bevor net alle Herre 's Brevier 'ra g'lau hant? — Das
Brevier herunterlassen? — Ia, Herr Dekan, das ist der stehende Ausdruck
des Klerus für dirse Herzenserhebung. Berichten Sie das an Ihre vorgesetzte
Stelle. — Nun, Herr Pfarrer, beharren Sie auf Ihren Ansichten?

— Iawohl, Herr Dekan! — Einige Wochen noch studierte der Pfarrer
zwischen seinen Kerzen das alte Christentum, ging an den Wänden hin
und stärkte sich an den Bildnissen, die er zu ssiner Erbauung dort auf-
gehängt hatte, an Kant, Herdcr, Leibniz, Bsethoven und den andern
 
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