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Kunstwart und Kulturwart — 35,2.1922

DOI issue:
Heft 9 (Juniheft 1922)
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Fuchs, Emil: Schule des Volkes oder Schule der Partei?
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https://doi.org/10.11588/diglit.14435#0163

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Kindes in eine bestimmte Schule sind seine Anlage und Neiguttg, nicht
die wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung oder das Religionsbekennt-
nis seiner Eltern maßgebend. Innerhalb der Gemeinden sind indes auf
Antrag von Erziehungsberechtigten Volksschulen ihres Bekenntnisses oder
ihrer Weltanschauung einzurichten, soweit hierdurch ein geordneter Schul-
betrieb, auch im Sinne des Abs. s (man bedenke das „organisch auszuge-
stalten"), nicht beeinträchtigt wird. Der Wille der Erziehungsberechtigten
ist möglichst zu berücksichtigen. Das Nähere bestimmi die Landesgesetzgebung
nach den Grundsätzen eines Reichsgesetzes."

Nun werden die Hemmungen beseitigt und eine Zersplitterung des Schul-
wesens wird ganz prinzipiell begünstigt, die schon einfach finanziell eine
mächtige Belastung darstellt. Kleine konfessionelle Schulgruppen sind natür-
lich sehr viel kostspieliger als die Verwaltung und Nnterhaltung einheit-
licher Gesamtorganismen.

Aber das Entscheidende ist doch die Frage nach dem Geiste, der unsere
Schule bestimmen, nach dem Ziele, zu dem sie erziehen soll. Soll die
Schule in ihrer Organisation und ihrem Geiste ein Stück Volksge-
meinschaft sein oder ein Stück Sondergruppe und Sonder-
geist innerhalb der Volksgemeinschaft? Es ist merkwürdig, daß es neben
dem Zentrum gerade die Dertreter der Parteien waren, die sich im beson-
deren Sinne die „nationalen" nennen, die diesen gefährlichen Beschluß
zustande brachten und die offenbar für die ganze entscheidende Wichtigkeit
dieser Frage gar kein Verständnis haben.

H-»ir wollen eine einheitliche Schule", sagen die Vertreter der Welt-
^^anschauungsschule. „Die Kinder sollen in einen einheitlichen Geist hin-
einwachsen, dann haben sie etwas Ganzes. Etne Gemeinschaftschule, die
auf alle Richtungen und Weltanschauungen eingestellt ist, ist immer blaß,
leblos, kraftlos und gibt nirgends etwas Ganzes." Ich stelle die Gegen-
frage: „Ist es nicht möglich, eine Schule zu schaffen, in der Lehrer, Lehrer-
gemeinschaft, Eltern und Schüler über alle sonstigen Sondermeinungen
hinweg in dem Geiste einheitlichen, schaffenden, zukunftsfrohen Volks-
tumes zusammenleben, wirken und einander sördern können? Wäre es
nicht für alle Konfessionen, Kirchen und Weltanschauungen ungleich wich-
tiger und fruchtbarer, wenn sie in diesem kraftvollen Schaffen der Volks-
gemeinschaft und zur Volksgemeinschaft einander begegneten, einander im
Willen hierzu kennen lernten, als daß sie leben von den Sonderbildungen
und Abgrenzungen, die sie sich gegeneinander setzen?" Ilnd suchen nicht
vielleicht gerade deshalb all diese Kirchen- und Weltanschauungsgruppen
ihre Selbfterhaltung in Sonderung und offiziellem Einfluß auf offizielle
Organisationen, weil sie — bewußt oder unbewußt — sich nicht mehr die
Kraft zutrauen, das Gesamtleben unsres Volkes geistig zu durchdringen und zu
tragen? Hätten sie dieses Kraftbewußtsein, dann wüßten sie, daß sie dort am
stärksten sind, wo der Strom des Volkslebens selber am kräftigsten fließt. Füh-
len sie sich nur da stark, wo er abgeleitet, abgedämmt und abgelenkt ist?

Auch alle echte und tiefe Frömmigkeit sollte sich dagegen zur Wehr
setzen, daß auf solche Weise mit Hilfe von politischen Parteiinstinkten den
Organisationen der Frömmigkeit ein durch Lußere Machtstellung gesicherter
Einfluß im öffentlichen Leben geschaffen wird, den sie sich geistig nicht er-
halten können. Dadurch wird nur die notwendige Erkenntnis verzögert,
daß die kirchlichen Organisationen — wenn sie sich erhalten wollen — zum
Ernste wirklicher Frömmigkeit aus all diesem oberflächlichen Getriebe orga-

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