Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kohl, Thomas; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Lokale Gesellschaften: Formen der Gemeinschaft in Bayern vom 8. bis zum 10. Jahrhundert — Mittelalter-Forschungen, Band 29: Ostfildern, 2010

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34742#0037

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
36

1. Einleitung

Der Zerfall der alten karolingischen Ordnung, ein abnehmender Einfluss der
Zentralgewalt durch kranke oder minderjährige Könige und das Auftreten neuer
Feinde wie der Magyaren, die in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts immer
wieder in Bayern einfielen, führten dazu, dass sich in der Folge neue regionale
Mittelgewalten entwickelten, die das Machtvakuum ausfüüten' A In Bayern gelang
dies zunächst Markgraf Luitpold, der aber 907 in der Schlacht bei Pressburg gegen
die Magyaren fiel. Trotz dieser Niederlage gelang es Luitpolds Sohn Arnulf (907-
37) nicht nur, die Stellung seines Vaters zu übernehmen, sondern auch, sie aus-
zubauen, so dass er zeitweise eine fast königsgleiche Stellung in Bayern und den
östlich angrenzenden Gebieten beanspruchen konnte^".
Zugleich gerieten die Klöster im späten 9. und frühen 10. Jahrhundert in eine
Schwächephase, die viele von ihnen nicht überlebten - in der Diözese Freising
überstanden nur drei von vierzehn bekannten Klöstern den Beginn des 10. Jahr-
hunderts^. Als Ursache für diese Entwicklung werden traditionell einerseits die
Ungarneinfälle gesehen, andererseits angebliche Säkularisierungen unter Herzog
Arnulf, die ihm später den Beinamen „der Böse" eintrugen. Beide Faktoren,
insbesondere Arnulfs Roüe'A sollte man jedoch nicht überschätzen, denn
vermutlich sind Untergang und Schwächung vieler Klöster eher Folgen einer
allgemeinen Krise des bayerischen Mönchtums in dieser Zeit'A
Während König Konrad (911-19) sich insgesamt erfolglos gegen die
Etablierung Arnulfs gewehrt hatte, akzeptierte sein Nachfolger Heinrich I. die
Rolle Arnulfs und der anderen Herzoge und schloss mit ihnen Freundschafts-
bündnisse. Arnulf, der Heinrich erst nach einer langen Belagerung 921 anerkannte,
konnte im Gegensatz zu den anderen Herzogen auch die Kirchenhoheit in Bayern
wahren, behielt also einen großen Einfluss auf die Bischofseinsetzungen
Otto der Große (936-73), der Sohn und Nachfolger Heinrichs, setzte nach
Arnulfs Tod dessen Bruder Berthold - und nicht einen der Söhne Arnulfs - als
Herzog in Bayern ein (938-47). Dieser musste im Gegenzug auf die Kirchenhoheit
verzichten*^. Nach Bertholds Tod erhob Otto seinen eigenen jüngeren Bruder

119 Zu Bayern im 10. Jh. s. außer den in Anm. 117 genannten Arbeiten Wilhelm STÖRMER, Zum
Wandel der Herrschaftsverhältnisse und inneren Strukturen Bayerns im 10. Jh., in: Gesell-
schaftsgeschichte 2 267-85. Seine These, dass Arnulf sich durchsetzen konnte, weil so viele
bayerische Adlige zusammen mit Luitpold 907 in der Schlacht bei Pressburg gefallen waren
(ebd. 281f.), ist jedoch fragwürdig.
120 Zu ihm Ludwig HOLZFURTNER, Gloriosus dux. Studien zu Herzog Arnulf von Bayern (907-
937) (ZBLG Beihefte B 25), München 2003. Allgemein zu den Luitpoldingern Kurt REINDEL,
Die bayerischen Luitpoldinger. Sammlung und Erläuterung der Quellen (Quellen und
Erörterungen zur bayerischen Geschichte NE 11), München 1953.
121 WOLFRAM, Salzburg 396.
122 Die Zeugnisse für die angeblichen Säkularisierungen Arnulfs sind allesamt erst spät
entstanden, s. HOLZFURTNER, Gloriosus dux 55-63; WOLFRAM, Salzburg 387f. Auch ohne
Bedrohung durch die Ungarn wurde Klosterbesitz vergeben. So verlieh Erzbischof Oadalbert
unter anderem das Kloster Gars mit sämtlichem Besitz 924 an seine Frau Rihni, s.u. 3.3.2.
123 Ludwig HOLZFURTNER, Destructio monasteriorum. Untersuchungen zum Niedergang der
bayerischen Klöster im zehnten Jahrhundert, in: StMBO 96 1985, 65-86.
124 HOLZFURTNER, Gloriosus dux 73-81; Franz-Reiner ERKENS, Die Salzburger Kirchenprovinz
und das Bistum Augsburg im Zeitalter der Ottonen und frühen Salier (907-1046), in:
Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte 1,1 133-86, hier 142.
125 ERKENS, Kirchenprovinz 149.
 
Annotationen