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Kohl, Thomas; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Lokale Gesellschaften: Formen der Gemeinschaft in Bayern vom 8. bis zum 10. Jahrhundert — Mittelalter-Forschungen, Band 29: Ostfildern, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.34742#0129

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3. Die innere Struktur der Dörfer und Weiler

zustimmten. In anderen Fällen ist ein verwandtschaftlicher Bezug der Personen,
die als Nachbarn oder Dorfbewohner bezeichnet werden, aus dem Zusammen-
hang belegt, so etwa bei einem Familienstreit der Huosi 791 um eine Kirche, bei
dem am Ende nicht nur die Angeklagten, sondern auch die commarcan/' ihre
Anteile an der Kirche aufga benA Daraus darf jedoch nicht geschlossen werden,
dass mit vzdnz oder commarcan/' immer Verwandte gemeint waren. Zumeist dürfte
die parallele Nennung von Verwandten und Nachbarn bei Traditionen dazu
gedient haben, die beiden Gruppen einzubeziehen, die am ehesten eigene
Ansprüche auf ein Besitzstück erheben konnten. Sicherlich gab es in einer
Gesellschaft, die Realteilung praktizierte, große Schnittmengen zwischen beiden
Gruppen, zumal es höchst wahrscheinlich ist, dass unter vormodernen
Bedingungen benachbarte und sozial ähnlich gestellte Familien Heirats-
verbindungen eingingen. Synonym sind die Begriffe vzdnz und parcnfcs deshalb
jedoch selbstverständlich nicht.


Neben der Allmende gab es auf lokaler Ebene auch zentrale Einrichtungen, deren
Wirkung zwar häufig über die Dorfgrenze hinausreichte, im Normalfall jedoch auf
lokale Kreise beschränkt blieb. Es ist offensichtlich, dass diese Einrichtungen nicht
gemeinschaftlich oder gar gemeindlich gewesen sein müssen, um zentral für eine
lokale Gesellschaft zu sein. Ungeachtet dessen können zentrale Institutionen ein
Zeichen von Zusammengehörigkeit sein, in jedem Fall aber ein Zusammen-
gehörigkeitsgefühl erzeugen und eine Gemeinschaft konstituieren. Auch die Lex
Baiuvariorum erkannte die wichtige Rolle dieser Einrichtungen an, die sie als /ocz
pitMzcz bezeichnete und zu denen sie neben Herzogshöfen Kirchen, Schmieden und
Mühlen zählte^.
Besonders augenscheinlich ist die Zentralität der Kirchen^. Es gab sie in allen
Untersuchungsgebieten in relativ großer Zahl, so dass es für die allermeisten
Bewohner eine Kirche wenn nicht in der eigenen Siedlung, so doch im nächsten
oder übernächsten Dorf gab, das ja ohnehin, wie oben bei der Beschreibung der
Gebiete deutlich wurde, meist sehr nahe lag^. Die Kirche, zu der die Bewohner -
frei, minderfrei und unfrei - sonntags und an Festtagen gehen sollten, wo sie
feierten, Traditionen durchführten und wo man sich traf, um Gericht zu halten^,
war ein Ort selbstverständlicher ideeller Zentralität, wenn auch nicht unbedingt
räumlich zentral gelegen. Kirchen liegen noch heute oft am Ortsrand, z.B. auf

48 TF 142, zu diesem Fall BROWN, Seizure 68-72.
49 Tit. 9,2. Zur vergleichbaren Rolle von Kirchen und Mühlen etwa KUCHENBUCH, Gesellschaft
306.
50 Andreas HEDWIG, Die Eigenkirche in den urbarialen Quellen zur fränkischen Grund-
herrschaft zwischen Loire und Rhein, in: ZRG KA 78 1992,1-64, hier 30, stellt zu Recht fest,
dass Kirchen auch im Rahmen von Grundherrschaften Orte „öffentlich-geistlicher und
sozialer Natur" sind.
51 S. die Karten 8-10 u. in 5.1.1-5.1.3.
52 Z.B. in der Valentinskirche in einem Locus LLosc in TF 245 (806/11).
 
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