1.5 Die ethnische und soziale Gliederung
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unter der Bedingung, dass sie ein Lehen bekamen. In einem Fall wurde die Art des
sgrvzfzMM genauer testgeiegt, die Söhne sollten nur die ehrenvollen Aufgaben als
Kleriker, Seneschall, Kämmerer oder Mundschenk erfüllen müssen^. Für die
Mütter war also die Freiheit der Töchter in höherem Maße wünschenswert als die
der Söhne, denen im Gegensatz zu den Töchtern gute Karrierechancen im
bischöflichen Dienst offenstanden.
Die Entstehung der Minsterialität ist Teil einer Entwicklung zur relativen
Besserstellung vieler Unfreier im Verlauf des 9. und 10. Jahrhunderts. Es war nun
üblich, dass Unfreie auch über Besitzgrenzen hinweg relativ frei heirateten^, und
auch ihr Besitz war sicherer als zuvor. Diese Verbesserungen betrafen aber nicht
alle Unfreien gleichermaßen, wie der rege Sklavenhandel im 10. Jahrhundert zeigt.
L5.5 ProNdmd uon Ftv/Tid/Y Lfn/iv/Tid/Y
In den normativen Quellen war keine Trennung in der frühmittelalterlichen
Gesellschaft (außer der zwischen Mann und Frau) so bedeutend und so scharf
gezogen wie die zwischen frei und unfrePG Dennoch existierten im Bayern des 8.,
9. und 10. Jahrhunderts wie anderswo zahlreiche Zwischenformen, deren Zu-
ordnung in die eine oder andere Kategorie unsicher war und schwanken konnte.
Darüber hinaus gab es Fälle, in denen Menschen im gleichen Atemzug mehreren
Kategorien zugeordnet und etwa als Freie und Unfreie zugleich bezeichnet
wurden.
Angesichts der Vielgestaltigkeit und Widersprüchlichkeit der Quellen muss
man sich von einer Vorstellung fester Kongruenzen und Entsprechungen
zwischen dem Sprachgebrauch der Quellen und der dahinter stehenden
Erfahrungs- und Bildungsweit, aus der sie stammen, lösen. Immer wieder standen
die Auftraggeber und Schreiber der Quellen vor der Aufgabe, mit dem ihnen zur
Verfügung stehenden überwiegend antiken Begriffsschatz eine Situation an-
gemessen zu beschreiben. Insbesondere bei den normativen Texten - der Lex, den
Kapitularien und auch den Konzilsbeschlüssen -, aber nicht nur in dieser
Textgattung, spielten auch programmatische Aspekte eine Rollers. Die
lebensweltliche Situation war in jedem Fall - gerade in der Frühzeit - vielfältig.
Die Situation der kleinen Freien, der Minderfreien und Unfreien dürfte nicht im
Mittelpunkt des Interesses der Schreiber und ihrer Auftraggeber gestanden haben.
Insofern ist es wenig verwunderlich, wenn keine inhaltliche und begriffliche
Übereinstimmung zwischen den verschiedenen Quellen besteht.
Immer wieder wurden Menschen tradiert, deren wirtschaftliche, soziale und
rechtliche Situation sich mehr oder weniger stark unterschied und die mit einem
225 TF 1244: Ml (...) poMtyiode seruih'Mm seruävMf Ensingens; episcop; HMi camende HMl pincernde HMl
&peri/gie. Auch in TF 1226 war das gleiche gemeint, wie TF 1458a (1047/53) zeigt, eine
Urkunde, in der die Nachkommen der Tradentin ihre Rechte einklagten.
226 S.u. 4.5.2.
227 S.o. 1.5.1.
228 Dazu zuletzt Christina PÖSSEL, Authors and Recipients of Carolingian Capitularies, 779-829,
in: Texts and Identities 253-74.
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unter der Bedingung, dass sie ein Lehen bekamen. In einem Fall wurde die Art des
sgrvzfzMM genauer testgeiegt, die Söhne sollten nur die ehrenvollen Aufgaben als
Kleriker, Seneschall, Kämmerer oder Mundschenk erfüllen müssen^. Für die
Mütter war also die Freiheit der Töchter in höherem Maße wünschenswert als die
der Söhne, denen im Gegensatz zu den Töchtern gute Karrierechancen im
bischöflichen Dienst offenstanden.
Die Entstehung der Minsterialität ist Teil einer Entwicklung zur relativen
Besserstellung vieler Unfreier im Verlauf des 9. und 10. Jahrhunderts. Es war nun
üblich, dass Unfreie auch über Besitzgrenzen hinweg relativ frei heirateten^, und
auch ihr Besitz war sicherer als zuvor. Diese Verbesserungen betrafen aber nicht
alle Unfreien gleichermaßen, wie der rege Sklavenhandel im 10. Jahrhundert zeigt.
L5.5 ProNdmd uon Ftv/Tid/Y Lfn/iv/Tid/Y
In den normativen Quellen war keine Trennung in der frühmittelalterlichen
Gesellschaft (außer der zwischen Mann und Frau) so bedeutend und so scharf
gezogen wie die zwischen frei und unfrePG Dennoch existierten im Bayern des 8.,
9. und 10. Jahrhunderts wie anderswo zahlreiche Zwischenformen, deren Zu-
ordnung in die eine oder andere Kategorie unsicher war und schwanken konnte.
Darüber hinaus gab es Fälle, in denen Menschen im gleichen Atemzug mehreren
Kategorien zugeordnet und etwa als Freie und Unfreie zugleich bezeichnet
wurden.
Angesichts der Vielgestaltigkeit und Widersprüchlichkeit der Quellen muss
man sich von einer Vorstellung fester Kongruenzen und Entsprechungen
zwischen dem Sprachgebrauch der Quellen und der dahinter stehenden
Erfahrungs- und Bildungsweit, aus der sie stammen, lösen. Immer wieder standen
die Auftraggeber und Schreiber der Quellen vor der Aufgabe, mit dem ihnen zur
Verfügung stehenden überwiegend antiken Begriffsschatz eine Situation an-
gemessen zu beschreiben. Insbesondere bei den normativen Texten - der Lex, den
Kapitularien und auch den Konzilsbeschlüssen -, aber nicht nur in dieser
Textgattung, spielten auch programmatische Aspekte eine Rollers. Die
lebensweltliche Situation war in jedem Fall - gerade in der Frühzeit - vielfältig.
Die Situation der kleinen Freien, der Minderfreien und Unfreien dürfte nicht im
Mittelpunkt des Interesses der Schreiber und ihrer Auftraggeber gestanden haben.
Insofern ist es wenig verwunderlich, wenn keine inhaltliche und begriffliche
Übereinstimmung zwischen den verschiedenen Quellen besteht.
Immer wieder wurden Menschen tradiert, deren wirtschaftliche, soziale und
rechtliche Situation sich mehr oder weniger stark unterschied und die mit einem
225 TF 1244: Ml (...) poMtyiode seruih'Mm seruävMf Ensingens; episcop; HMi camende HMl pincernde HMl
&peri/gie. Auch in TF 1226 war das gleiche gemeint, wie TF 1458a (1047/53) zeigt, eine
Urkunde, in der die Nachkommen der Tradentin ihre Rechte einklagten.
226 S.u. 4.5.2.
227 S.o. 1.5.1.
228 Dazu zuletzt Christina PÖSSEL, Authors and Recipients of Carolingian Capitularies, 779-829,
in: Texts and Identities 253-74.