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5. Kirchen und Klerus
Weitgehend unangetastet blieb trotz aller Verwerfungen dieser Zeit allerdings
die zentrale Stellung der Kirche im Ort. Sie war ein natürliches Zentrum, auf das
sich die Bewohner eines von ihr mitdefinierten Siedlungsraums, eines oder
mehrerer Dörfer oder Weiler, hin entierten. Hier wurden Versammlungen wie
Gerichtstage abgehaiterW, hier wurden die Feste der Heiligen gefeiert, zu denen
etwa nach Freising zahlreiche Menschen aus entfernten Orten an reisten^, hier
wurde man gesehen. Deshalb war es auch wichtig, dass man /zonorz/z'cc zur Kirche
gehen konnte, wie ein Graf Meginhart seinen Wunsch nach dem Erwerb eines
Stücks Wegs zur Kirche von zehn mal 30 Schritten begründete^. Auch nach dem
Tod konnte man dort präsent bleiben, auf dem Friedhof um die Kirche herum und
manchmal sogar - gegen das ausdrückliche Verbot der Bischöfe und Könige - in
ihr selbst bestattet^.
5.2 Der Klerus
5.2.2
Die bayerische und hier insbesondere die Freisinger Überlieferung zeichnet sich
nicht nur durch eine fast einmalige Dichte an Erwähnungen von Kirchen aus,
sondern auch durch einen außergewöhnlich hohen Anteil an Klerikern unter den
Tradenten und Zeugen. Insgesamt kennen wir namentlich allein aus Freising
mehrere hundert Kleriker aus den verschiedensten wirtschaftlichen, sozialen und
rechtlichen Zusammenhängen.
Beide Phänomene, die hohe Anzahl von Kirchen und von Klerikern, hängen
zusammen, da ein Großteil der Kirchen bis 850 als Eigentum von Klerikern er-
scheint. Die andere Ursache für die hohe Anzahl von Klerikern liegt in der Art der
Einsetzung von Priestern in eine Kirche, die in frühkarolingischer Zeit durch die
Verleihung als bcnc/zcnuK erfolgen konnte. Gemeinsam mit dem zumindest in
Freising üblichen Treueeid der Kleriker gegenüber dem Bischof entstand so eine
spezielle, an spätere lehensrechtliche Formen erinnernde Treueverpflichtung der
Kleriker an ihren Bischof, die die kirchenrechtliche Bindung ergänzte und ver-
(Urkundenbuch des Landes ob der Enns, hg. vom Verwaltungsausschuss des Museums
Frandsco-Carolinum Linz, Bd. 2, Wien 1856, 44) ist eine Fälschung: Während Bischof Tuto
von Regensburg bereits 930 verstarb, war der gleichfalls genannte Christian von Passau
(991-1013) zu diesem Zeitpunkt noch lange nicht geboren.
281 Z.B. TF 245 (806/11) in der Valentinskirche im LocMS Fzizzsz!.
282 Etwa TF 738 (853.09.08): noMes uzr; fzzm comzfes zpzzzm dz; pz!genses ucMcnzMf ad FrzszMgzzs zzd^es-
huzädem szmd; CoräzMZHM;.
283 TF 766 (856/60).
284 In TF 1036 (902/3) räumte Bischof Waldo einem Ehepaar dieses Recht ein, obwohl er erst 895
auf dem Konzil von Tribur einen Beschluss mitgetragen hatte, der diese Praxis grundsätzlich
verbot, allerdings Ausnahmen für verdienstvolle Laien zuließ, vgl. c.17 (MGH Cap II,
Nr. 252, 222f): Nemo CMzm zu ecdeszzz sepdzzdzzr, Mzsz^brfe ädzs szf perso?M szzcerzMzs zzzd czuMsizäd
ZMsf; IzomzMcs z?zd per uzfzze merzforzzm ädern uzueMdo szzo corpor; de/zzMd; ioczzm zükpdszuzL S. auch
TF 167 (793/806), wo eine Schenkung an eine Kirche gemacht wird, weil dort der Vater der
Tradenten bestattet ist, dazu STÖRMER, Kirchenanlagen 24f.
5. Kirchen und Klerus
Weitgehend unangetastet blieb trotz aller Verwerfungen dieser Zeit allerdings
die zentrale Stellung der Kirche im Ort. Sie war ein natürliches Zentrum, auf das
sich die Bewohner eines von ihr mitdefinierten Siedlungsraums, eines oder
mehrerer Dörfer oder Weiler, hin entierten. Hier wurden Versammlungen wie
Gerichtstage abgehaiterW, hier wurden die Feste der Heiligen gefeiert, zu denen
etwa nach Freising zahlreiche Menschen aus entfernten Orten an reisten^, hier
wurde man gesehen. Deshalb war es auch wichtig, dass man /zonorz/z'cc zur Kirche
gehen konnte, wie ein Graf Meginhart seinen Wunsch nach dem Erwerb eines
Stücks Wegs zur Kirche von zehn mal 30 Schritten begründete^. Auch nach dem
Tod konnte man dort präsent bleiben, auf dem Friedhof um die Kirche herum und
manchmal sogar - gegen das ausdrückliche Verbot der Bischöfe und Könige - in
ihr selbst bestattet^.
5.2 Der Klerus
5.2.2
Die bayerische und hier insbesondere die Freisinger Überlieferung zeichnet sich
nicht nur durch eine fast einmalige Dichte an Erwähnungen von Kirchen aus,
sondern auch durch einen außergewöhnlich hohen Anteil an Klerikern unter den
Tradenten und Zeugen. Insgesamt kennen wir namentlich allein aus Freising
mehrere hundert Kleriker aus den verschiedensten wirtschaftlichen, sozialen und
rechtlichen Zusammenhängen.
Beide Phänomene, die hohe Anzahl von Kirchen und von Klerikern, hängen
zusammen, da ein Großteil der Kirchen bis 850 als Eigentum von Klerikern er-
scheint. Die andere Ursache für die hohe Anzahl von Klerikern liegt in der Art der
Einsetzung von Priestern in eine Kirche, die in frühkarolingischer Zeit durch die
Verleihung als bcnc/zcnuK erfolgen konnte. Gemeinsam mit dem zumindest in
Freising üblichen Treueeid der Kleriker gegenüber dem Bischof entstand so eine
spezielle, an spätere lehensrechtliche Formen erinnernde Treueverpflichtung der
Kleriker an ihren Bischof, die die kirchenrechtliche Bindung ergänzte und ver-
(Urkundenbuch des Landes ob der Enns, hg. vom Verwaltungsausschuss des Museums
Frandsco-Carolinum Linz, Bd. 2, Wien 1856, 44) ist eine Fälschung: Während Bischof Tuto
von Regensburg bereits 930 verstarb, war der gleichfalls genannte Christian von Passau
(991-1013) zu diesem Zeitpunkt noch lange nicht geboren.
281 Z.B. TF 245 (806/11) in der Valentinskirche im LocMS Fzizzsz!.
282 Etwa TF 738 (853.09.08): noMes uzr; fzzm comzfes zpzzzm dz; pz!genses ucMcnzMf ad FrzszMgzzs zzd^es-
huzädem szmd; CoräzMZHM;.
283 TF 766 (856/60).
284 In TF 1036 (902/3) räumte Bischof Waldo einem Ehepaar dieses Recht ein, obwohl er erst 895
auf dem Konzil von Tribur einen Beschluss mitgetragen hatte, der diese Praxis grundsätzlich
verbot, allerdings Ausnahmen für verdienstvolle Laien zuließ, vgl. c.17 (MGH Cap II,
Nr. 252, 222f): Nemo CMzm zu ecdeszzz sepdzzdzzr, Mzsz^brfe ädzs szf perso?M szzcerzMzs zzzd czuMsizäd
ZMsf; IzomzMcs z?zd per uzfzze merzforzzm ädern uzueMdo szzo corpor; de/zzMd; ioczzm zükpdszuzL S. auch
TF 167 (793/806), wo eine Schenkung an eine Kirche gemacht wird, weil dort der Vater der
Tradenten bestattet ist, dazu STÖRMER, Kirchenanlagen 24f.