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Kohl, Thomas; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Lokale Gesellschaften: Formen der Gemeinschaft in Bayern vom 8. bis zum 10. Jahrhundert — Mittelalter-Forschungen, Band 29: Ostfildern, 2010

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.34742#0076

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2.2 Tradition und Investitur

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Tausch von Grundbesitz und Unfreien gegen Geld oder Mobilien". Die seltene
Erwähnung von Käufen unterscheidet die nordalpine Überlieferung deutlich von
der italienischen, in der zahllose Quellen von Landkäufen und -Verkäufen der
Kirchen berichten. In Bayern beschränken sich die Quellen fast ausschließlich auf
Schenkungen und Tauschgeschäfte. Doch auch hier war das Kaufen und Ver-
kaufen von Land, Tieren und Menschen alltäglich, wenn auch der Landmarkt, falls
man von einem solchen sprechen kann", nicht das Ausmaß und die Bedeutung
wie im zeitgenössischen Italien und anderen Regionen des Mittelmeerraums
hatte". Im fränkischen Kernraum scheinen die Verhältnisse ähnlich wie in Bayern
gewesen zu sein".
Am Beginn dieses Kapitels soll jedoch die Lrage nach dem ,Wie' einer
Transaktion stehen. Wie wurde eine Übertragung von Grundbesitz durch geführt,
inszeniert und im Bewusstsein der Tradierenden und ihrer Verwandten, der
Empfänger und des lokalen Umfelds verankert? Hier spielt auch die Lrage nach
dem Verhältnis von Investitur und der vorangehenden Übertragung eine Rolle.

2.2 Tradition und Investitur
In einer Gesellschaft, in der Wohlstand und politischer Einfluss aus Landbesitz
und der Verfügung über Land und Menschen erwuchsen, die mit Ausnahme sehr
eingeschränkter Gruppen Schriftarm war und in der ein kompliziertes und zum
Teil widersprüchliches Besitz- und Eigentumsverständnis herrschte, mussten
Besitzübergaben öffentlich und möglichst unanfechtbar gestaltet werden. Deshalb
ist es wenig verwunderlich, dass einerseits eine Vielzahl von Ritualen existierte,
die eine Übertragung begleiteten, und andererseits mit Vorliebe besondere Orte -
vor allem die empfangenden Bischofs- bzw. Klosterkirchen - für Traditionen
gewählt wurden. Ihr genauer Ablauf ist nur in wenigen Urkunden überliefert, so
dass hier über die Grenzen der Untersuchungsgebiete hinausgegangen werden
muss.
Grundsätzlich scheinen Traditionen zweistufig abgelaufen zu sein, auch wenn
dies sicher nur für die erste Hälfte des 9. Jahrhunderts nachzuweisen ist": Der
eigentlichen Tradition, die durch eine Willenserklärung der Tradenten gültig

11 Allgemein zu den rechtlichen Grundlagen des Handels Harald SlEMS, Handel und Wucher
im Spiegel frühmittelalterlicher Rechtsquellen (MGH Schriften 35), Hannover 1992.
12 Zu Bayern Carl I. HAMMER jr., Land Sales in Eighth- and Ninth-Century Bavaria: Legal,
Economic and Social Aspects, in: EME 6 1997,47-76, s. dazu u. 2.8.
13 S. etwa Laurent FELLER, Agnes GRAMAIN, Florent WEBER, La fortune de Karol. Marche de la
terre et liens personnels dans les Abruzzes au haut Moyen Age (Collection de l'ecole
fran^aise de Rome 347), Rom 2005.
14 Dazu Brigitte KASTEN, Grundbesitzgeschäfte im Spiegel der kirchlichen Überlieferung: Zu
den materiellen Grundlagen der Missionierung im nördlichen Lotharingien (bis 900), in:
L'evangelisation des regions entre Meuse et Moselle et la fondation de l'abbaye d'Echternach
(Ve-IXe siede) (Publications de la section historique de l'Institut Grand-Ducal de Luxem-
bourg 117), Luxemburg 2000, 261-300.
15 BITTERAUF, Einleitung zu den TF XXXXVf. Auch in Regensburg finden sich in dieser Zeit
einige Doppelurkunden, die beide Akte dokumentieren: TR 11 (810), 14 (814.10.29/11.20), 19
(822.11.11).
 
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