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Kohl, Thomas; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Lokale Gesellschaften: Formen der Gemeinschaft in Bayern vom 8. bis zum 10. Jahrhundert — Mittelalter-Forschungen, Band 29: Ostfildern, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.34742#0173

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172

4. Familie

an die Bischofskirche, bei denen man sicher von Kindern weiß und die nicht in
einer Klausel berücksichtigt wurden. Ein Beispiel hierfür sind der Kleriker Rihpald
und seiner Frau, die 775 am östlichen Rande des Ampergebiets Land und eine
Kirche in Deutenhausen und Ober(Unter)schleißheim zu ihrem eigenen Seelenheil
und dem ihrer Kinder tradierten^. Andersherum war es möglich, Titel 1,1 der Lex
Baiuvariorum nachträglich anzuwenden, wie eine Klausel in einer Schenkung aus
Ottershausen zeigt, nach der auch nachgeborene Kinder ihre porüo haben sollten^.
Selbst wenn keine solche Klausel abgemacht worden war, konnte es durch den
Druck von annd und pttrcnfcs gelingen, einem nach einer Schenkung geborenen
Sohn seinen Anteil des väterlichen Guts zu verschaffen, wie ein Beispiel aus
Laimbach bei Allershausen zeigtA

4.2.3
Eine mögliche Strategie von Familien, die direkt und unmittelbar von Gewalt
bedroht und betroffen waren, wird am Beispiel der Familie Onolfs deutlich. Dieser
schenkte 774 nach der Ermordung seines geliebten Sohnes Keparoh/Kepahoh sein
umfangreiches pttüztKonzMtK und den Besitz seiner Frau Alpsuuinde in Glonn,
Röhrmoos und (München-)Allach an seine Kirche in Röhrmoos. Diese übergab er
daraufhin unter der Bedingung an Freising, dass sein Sohn Hrodin sie nach dem
Tod seiner Eltern auf Lebenszeit erhalten sollte, falls er einen klerikalen Rang
erreichen sollte^. Hier befand sich eine Familie in einer tiefen und existentiellen
Krise - sie war offenbar in eine langandauernde Fehde mit einer anderen wich-
tigen Familie des Raums, der Familie der Gründer des Kloster Scharnitz-
Schlehdorf und vermutlich der Familie Arns von Salzburg verwickelt^. Im
Endeffekt musste die Familie nicht nur auf ihr Eigentum, sondern auch auf ihr
Fortbestehen verzichten, da der einzige überlebende Sohn einer kirchlichen
Laufbahn gewidmet wurde. Wohl deshalb sind in ungewöhnlicher Aus-
führlichkeit alle Namen der Familie aufgeführt: Onolfs Vater hieß Toti, seine Frau
Alpsuuinde, deren Vater wie der ermordete Sohn Kepahoh. Weitere Söhne oder
Töchter scheint es nicht gegeben zu haben. In dieser Situation, nachdem der

73 TF 69 (775).
74 TF 170 (794.05.08). Dass mit solchen Klauseln sowohl Söhne als auch Töchter gemeint waren,
zeigt TF 19 (763.06.29): s;/;7;os et/;7;as non procrcHssct.
75 TF 172 (794): BrcutariMm & tratütione ^nam ^ccit HaFoyns ad ccctcstam Featae scmpcr uirginis
Mariae in Castro nnncMpante Frigisinga. LtnA' postmocinm Atto cptscopns cnm/Fto HaFoi/i nomine
Pernoif conuenfionem sonnt cnm amicis et parentiFns iiiins propterea (?noct prccttctns PtaFot/ns
tracieciit aiociem snam ^ntc^ntct FaFntt in ioco HlaginpacF (Laimbach) totnm ex integro. Postea nato
praeciicto/iiio concessPnns eie meeiietate omntnm eie Fereeiitate iitins ^nam uieierat possieiere in ctnaFns
parttFns eüuieiere ccnsntmns siue eie enitis sen eie inenitis siue eie mancipiis omnia in omntFns meeiie-
tatem possessionis tiitns Fereeiitatis aei sanctam Mariam reiaxautt at^ne/trmtter traeiieiit, meeiietatem
siFi reseruautt in Fereeiitatem.
76 TF 65 (774.03.30). Schenkungen an eine eigene Kirche, die daraufhin an die Bischofskirche ge-
schenkt wurde, waren im spätagilolfingischen Freisinger Raum durchaus üblich und kamen
vereinzelt auch später vor, s.u. 5.1.6.
77 Dazu BROWN, Seizure 33-35, der Hinweis auf die Fehde zuerst bei Wilhelm STÖRMER, Eine
frühmittelalterliche Adelsfamilie im Dachauer Umland, in: Das Amperland 3 1967, 80f.
 
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