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7. Landwirtschaft und Grundherrschaft
Minderfreien mit oder ohne Gesinde bewirtschaftet wurden, ebenso wie größere
Höfe, die mit Gesinde bewirtschaftet wurden. Die Übergänge waren fließend. Es
zeigt sich dabei, dass die bipartite Grundherrschaft, die in der Forschung als die
typische, ja zum Teil einzige" früh- und hochmittelalterliche Form der
Bewirtschaftung gilt, nur eine Möglichkeit unter vielen war und den Grundherren
nicht immer sinnvoll oder möglich erschient Die bipartite Grundherrschaft sollte
daher nicht als Höhe- und Endpunkt einer teleologischen Entwicklung verstanden
werden, die allen anderen Formen selbstverständlich überlegen (oder unterlegen")
war. Eine Standardisierung der Landbesitzungen in einer bestimmten Form war
offenbar häufig nicht wünschenswerte Bei einer Gemengelage aus Besitzrechten
und unterschiedlichen lokalen Faktoren, Gewohnheiten und Rechtsverhältnissen
in der^mzüa wäre sie vielleicht auch gar nicht möglich gewesen.
7.L2
Die einzelne Bauernstelle und ihre Bestandteile werden in den bayerischen
Quellen mit verschiedenen Begriffen bezeichnet. Die Hofstelle selbst wird vor
allem seit ca. 820 CMrfz/cr genannt, was streng genommen lediglich das Land meint,
auf dem die Wohn- und Wirtschaftsgebäude liegen*". In den Regensburger
Traditionen erscheint ab etwa 840 der gleichbedeutende Begriff arca". Mansns
6 DOLLINGER, Bauernstand 112: „Während des Hochmittelalters ist die große und mittlere
Grundherrschaft in Bayern wie in ganz Europa (...) nach dem sogenannten Villi-
kationssystem organisiert"; PRINZ, Entwicklung 275: „Die Form adliger wie kirchlicher
Grndherrschaft war die Villikationsverfassung". Auch STÖRMER, Grundherrschaft 387 betont
die Bedeutung des Villikationssystems, zeigt aber zugleich (bes. ebd. 381f.) die Vielfalt dieser
Form der Grundherrschaft in Bayern.
7 GOETZ, Frühmittelalterliche Grundherrschaften 85-87. Dazu passt, dass in der Forschung
zunehmend deutlich wird, dass sich bipartite Grundherrschaften in vielen Regionen, nicht
nur in Westeuropa immer wieder unter bestimmten sozialen und wirtschaftlichen Bedin-
gungen entwickelten (s. etwa Peter SARRIS, The Origins of the Manorial Economy: New
Insights from Late Antiquity, in: English Historical Revue 119 2004, 279-311 zu Ägypten; all-
gemeiner WlCKHAM, Middle Ages 259-301). Dass die bipartite Grundherrschaft in Bayern
schon früh üblich war, zeigt die Aufnahme in tit. 1,13 der Lex Baiuvariorum, dazu Theodor J.
RIVERS, The Manorial System in the Light of ,Lex Baiuvariorum' 1,13, in: FMASt 25 1991, 89-
95.
8 So etwa Robert FOSSIER, Habitat, domaines agricoles et main-d'ceuvre en France du Nord-
Ouest au IXe siede, in: Villa - curtis - grangia 123-32.
9 SONNLECHNER, Etablierung 207-9, geht davon aus, dass die Verwendung des Begriffs wmnsHS
in den NA eine Umorganisation des Salzburger Besitzes in ein bipartites System nach frän-
kischem Vorbild anzeigte. Mir scheint allerdings zweifelhaft, ob der begrifflichen Stan-
dardisierung und Anpassung an fränkische Vorbilder auch eine tatsächliche Reorganisation
der Salzburger Güter entsprach, zumal es bipartite Grundherrschaften in Bayern schon früh
gab (s. Anm. 7).
10 DOLLINGER, Bauernstand 110. Es kommen auch nicht bebaute CHrO'/üv vor: TF 541 (827.04.02):
zwei Häuser und vier CMdi/dg; 1117 (937/57): fnhMS CMdi/dis, :uio SMpcrHcdificdo d ciMoiws sine
gaüyicüs; ähnlich 1286 (981.06.04), 1323ab, 1334,1357 (alle 994/1005).
11 TR 70 (865), 89 (ca. 878/85), 109,110,115,116 (alle ca. 883/7), 125 (888?), 135 (888/9), 140,152,
154, 156 (alle 889/91), 168 (891/4). Noch 1002 erscheint eine am? mit dieser Bedeutung im
Stadtgebiet von Regensburg (D Heinrich II6 [1002.07.13]).
7. Landwirtschaft und Grundherrschaft
Minderfreien mit oder ohne Gesinde bewirtschaftet wurden, ebenso wie größere
Höfe, die mit Gesinde bewirtschaftet wurden. Die Übergänge waren fließend. Es
zeigt sich dabei, dass die bipartite Grundherrschaft, die in der Forschung als die
typische, ja zum Teil einzige" früh- und hochmittelalterliche Form der
Bewirtschaftung gilt, nur eine Möglichkeit unter vielen war und den Grundherren
nicht immer sinnvoll oder möglich erschient Die bipartite Grundherrschaft sollte
daher nicht als Höhe- und Endpunkt einer teleologischen Entwicklung verstanden
werden, die allen anderen Formen selbstverständlich überlegen (oder unterlegen")
war. Eine Standardisierung der Landbesitzungen in einer bestimmten Form war
offenbar häufig nicht wünschenswerte Bei einer Gemengelage aus Besitzrechten
und unterschiedlichen lokalen Faktoren, Gewohnheiten und Rechtsverhältnissen
in der^mzüa wäre sie vielleicht auch gar nicht möglich gewesen.
7.L2
Die einzelne Bauernstelle und ihre Bestandteile werden in den bayerischen
Quellen mit verschiedenen Begriffen bezeichnet. Die Hofstelle selbst wird vor
allem seit ca. 820 CMrfz/cr genannt, was streng genommen lediglich das Land meint,
auf dem die Wohn- und Wirtschaftsgebäude liegen*". In den Regensburger
Traditionen erscheint ab etwa 840 der gleichbedeutende Begriff arca". Mansns
6 DOLLINGER, Bauernstand 112: „Während des Hochmittelalters ist die große und mittlere
Grundherrschaft in Bayern wie in ganz Europa (...) nach dem sogenannten Villi-
kationssystem organisiert"; PRINZ, Entwicklung 275: „Die Form adliger wie kirchlicher
Grndherrschaft war die Villikationsverfassung". Auch STÖRMER, Grundherrschaft 387 betont
die Bedeutung des Villikationssystems, zeigt aber zugleich (bes. ebd. 381f.) die Vielfalt dieser
Form der Grundherrschaft in Bayern.
7 GOETZ, Frühmittelalterliche Grundherrschaften 85-87. Dazu passt, dass in der Forschung
zunehmend deutlich wird, dass sich bipartite Grundherrschaften in vielen Regionen, nicht
nur in Westeuropa immer wieder unter bestimmten sozialen und wirtschaftlichen Bedin-
gungen entwickelten (s. etwa Peter SARRIS, The Origins of the Manorial Economy: New
Insights from Late Antiquity, in: English Historical Revue 119 2004, 279-311 zu Ägypten; all-
gemeiner WlCKHAM, Middle Ages 259-301). Dass die bipartite Grundherrschaft in Bayern
schon früh üblich war, zeigt die Aufnahme in tit. 1,13 der Lex Baiuvariorum, dazu Theodor J.
RIVERS, The Manorial System in the Light of ,Lex Baiuvariorum' 1,13, in: FMASt 25 1991, 89-
95.
8 So etwa Robert FOSSIER, Habitat, domaines agricoles et main-d'ceuvre en France du Nord-
Ouest au IXe siede, in: Villa - curtis - grangia 123-32.
9 SONNLECHNER, Etablierung 207-9, geht davon aus, dass die Verwendung des Begriffs wmnsHS
in den NA eine Umorganisation des Salzburger Besitzes in ein bipartites System nach frän-
kischem Vorbild anzeigte. Mir scheint allerdings zweifelhaft, ob der begrifflichen Stan-
dardisierung und Anpassung an fränkische Vorbilder auch eine tatsächliche Reorganisation
der Salzburger Güter entsprach, zumal es bipartite Grundherrschaften in Bayern schon früh
gab (s. Anm. 7).
10 DOLLINGER, Bauernstand 110. Es kommen auch nicht bebaute CHrO'/üv vor: TF 541 (827.04.02):
zwei Häuser und vier CMdi/dg; 1117 (937/57): fnhMS CMdi/dis, :uio SMpcrHcdificdo d ciMoiws sine
gaüyicüs; ähnlich 1286 (981.06.04), 1323ab, 1334,1357 (alle 994/1005).
11 TR 70 (865), 89 (ca. 878/85), 109,110,115,116 (alle ca. 883/7), 125 (888?), 135 (888/9), 140,152,
154, 156 (alle 889/91), 168 (891/4). Noch 1002 erscheint eine am? mit dieser Bedeutung im
Stadtgebiet von Regensburg (D Heinrich II6 [1002.07.13]).