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Kohl, Thomas; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Lokale Gesellschaften: Formen der Gemeinschaft in Bayern vom 8. bis zum 10. Jahrhundert — Mittelalter-Forschungen, Band 29: Ostfildern, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.34742#0133

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3. Die innere Struktur der Dörfer und Weiler

Auch Brunnen wurden sicherlich zum Teil gemeinsam genutzt, hei einigen
archäologisch untersuchten Orten gehörte allerdings zu jeder Hofstelle ein eigener
BrunnenA
Andere zentrale Einrichtungen wie Schmieden, die es sicherlich gab, sind so
gut wie nicht belegtA Backstuben und Gasthäuser, die aus dem späteren
Mittelalter bekannt sind, finden sich in den Quellen überhaupt nichtA
Damit ist trotz einer insgesamt schwachen Quellenlage deutlich, dass es für
die Bewohner frühmittelalterlicher bayerischer Siedlungen einige Einrichtungen
gab, die einen gemeinschaftlichen Charakter hatten, wie die Allmenderechte vor
allem an Wald zeigen. In den Bereich der territorial bestimmten Rechte und
Pflichten fällt auch der Zehnte, der zu einer bestimmten Kirche gehörte. Beide,
Allmende und Zehnter, implizieren eine Abgrenzung - es musste im Normalfall
feststehen, wer zur Siedlungsgemeinschaft gehörte und wer nicht, und wer
deshalb seinen Zehnten an eine bestimmte Kirche zahlen musste und im Wald
seine Schweine weiden durfte. Bei der niedrigen Siedlungsdichte dürfte dies aber
ein kleineres Problem gewesen sein als in späteren Zeiten. In jedem Fall gab es also
neben der Nutzung zentraler Einrichtungen wie Kirchen, Mühlen und Schmieden
auch andere Gelegenheiten, bei denen sich die (freien) Dorfbewohner als
Gemeinschaft fühlten.

3.2 Besitzstruktur
3.2.2

Für das Funktionieren von Siedlungen und lokalen Räume war auch die
Besitzstruktur entscheidend. Kontrollierte eine Familie, ein Individuum, der Her-
zog bzw. König oder eine Kirche den gesamten Besitz in einem Dorf oder
zumindest weite Teile davon, hatte dies Auswirkungen auf das Zusammenleben
und den sozialen und rechtlichen Status der Einwohner, da im Rahmen einer
großen Grundherrschaft sicherlich mit mehr Abhängigen zu rechnen ist als in
einer Siedlung, in der kleinere Landbesitzer vorherrschten.
Auch wenn die grundlegende Bedeutung des Landbesitzes überall im
fränkischen Großreich mehr oder weniger vergleichbar war, so existierten doch
erhebliche Unterschiede in der Ausprägung der Besitzstruktur, die ja direkt mit
den sozioökonomischen Bedingungen in der Bevölkerung zusammenhing: Dort,
wo das Land überwiegend in großen, geschlossenen Blöcken besessen wurde, wie
in der Ile de France, finden sich fast zwangsläufig eine starke Aristokratie bzw.
andere große Landbesitzer - wie König, Klöster und andere Kirchen - und eine
überwiegend abhängige, unfreie, minderfreie, aber auch freie Bevölkerung, die in
die großen Grundherrschaften eingebunden warA Das andere Extrem für den

76 Lex Baiuvariorum, tit. 10,23, GEISLER, Haus 470.
77 Einzige Ausnahme ist TR 17 (820.12.02/821.02.08).
78 Dies gilt nicht nur in Bayern, s. WlCKHAM, Middle Ages 472.
79 Ebd. 398-406.
 
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