4. Familie
4.1 Kernfamilien und Großfamilien
Kein Thema der frühmittelalterlichen Sozialgeschichte Bayerns ist im vergangenen
Jahrhundert so intensiv untersucht worden wie die Familienzugehörigkeiten der
aus Urkunden und Memorial quellen bekannten Menschen. Dies geschah zumeist
nach der prosopographisch-besitzgeschichtlichen Methode, die auf Namens-
ähnlichkeiten und Besitznachfolge und -nachbarschaft beruht*. Die so ermittelten
Familiengruppen, deren Ausmaß sicherlich zum Teil überschätzt wurde und
manchmal auf einer sehr dünnen Indizienkette beruht, sind jedoch nicht Thema
dieses Kapitels. Es wird allerdings immer wieder auf die ungeheuer reichen
Ergebnisse dieser Forschungen zurückgegriffen, um das Ausmaß der Beziehungen
einzelner Familien aufzuzeigen.
Es geht in diesem Abschnitt auch nicht um diejenigen Gruppen, die in den
Quellen der Untersuchungszeit ais/am/Fa bezeichnet werden. Zumeist war damit
die Gesamtheit der einer Grundherrschaft angehörenden Unfreien und Minder-
freien gemeint. In der Freisinger Überlieferung wurden auch die Angehörigen
religiöser Gemeinschaften, insbesondere des Freisinger Domklerus zeitweise so
bezeichnet, ehe dieser Gebrauch wohl auf Grund der starken
grundherrschaftlichen Konnotation des Begriffs verloren gingL
Die Unfreien, die einer yzwn'F'a angehörten, lebten zum großen Teil in Fami-
liengruppen auf Bauernstellen und werden in Abschnitt 4.5 behandelt. Bei ihnen
geht es um die Kernfamilie, um Fragen nach der Ehe zwischen Unfreien, sowie um
die Frage der Kinder, die aus Beziehungen von Freien und Unfreien
her vor gingen^.
Zunächst aber sollen die Strategien einzelner freier Familien, die in den Ur-
kunden und Notizen der Untersuchungsgebiete sichtbar werden, untersucht
werden. Dazu werden hier zugleich die größeren Verwandtschaftsgruppen in den
Blick genommen, die sich in immer neuer Weise aus agnatisch und kognatisch
mehrgradig Verwandten zusammensetzten, sowie die Kernfamilie aus Eltern und
Kindern, vielleicht noch Enkeln. Erstere erscheinen in den Quellen als coynah,
propznzpd, pro.U/tn oder parcnUs, wobei parcnUs in Bayern wohl überwiegend auf
die Eltern bzw. die Vorfahren allgemein bezogen wurde"*.
1 Zur Methode HARTUNG, Tradition, und die einschlägigen Werke o. 1.3.2.
2 In Ausnahmefällen wurden in der Frühzeit auch Kernfamilien von Unfreien als /äwilM
bezeichnet, s.u. 4.5.1. i-äwiiki! für den Domklerus erscheint allerdings noch im Wahlprivileg
Ludwigs des Kindes von 906 (D Ludwig das Kind 44 [906.05.08]), s.u. 4.2.1.
3 Zur Ehefähigkeit der Unfreien OBERMEIER, „ancilla" 81-98.
4 Dafür spricht die Parallelisierung parcMfcs - gCMÜores in TF 547ab (827.07.09/09.29), der
Gegensatz parcMfcs - posfen in 546 (827.05.29). In 669 (845.02.25) sind die parcMUs eindeutig
Vorfahren. Stiftungen zum Seelenheil anderer wurden in Bayern nur für nächste Verwandte
4.1 Kernfamilien und Großfamilien
Kein Thema der frühmittelalterlichen Sozialgeschichte Bayerns ist im vergangenen
Jahrhundert so intensiv untersucht worden wie die Familienzugehörigkeiten der
aus Urkunden und Memorial quellen bekannten Menschen. Dies geschah zumeist
nach der prosopographisch-besitzgeschichtlichen Methode, die auf Namens-
ähnlichkeiten und Besitznachfolge und -nachbarschaft beruht*. Die so ermittelten
Familiengruppen, deren Ausmaß sicherlich zum Teil überschätzt wurde und
manchmal auf einer sehr dünnen Indizienkette beruht, sind jedoch nicht Thema
dieses Kapitels. Es wird allerdings immer wieder auf die ungeheuer reichen
Ergebnisse dieser Forschungen zurückgegriffen, um das Ausmaß der Beziehungen
einzelner Familien aufzuzeigen.
Es geht in diesem Abschnitt auch nicht um diejenigen Gruppen, die in den
Quellen der Untersuchungszeit ais/am/Fa bezeichnet werden. Zumeist war damit
die Gesamtheit der einer Grundherrschaft angehörenden Unfreien und Minder-
freien gemeint. In der Freisinger Überlieferung wurden auch die Angehörigen
religiöser Gemeinschaften, insbesondere des Freisinger Domklerus zeitweise so
bezeichnet, ehe dieser Gebrauch wohl auf Grund der starken
grundherrschaftlichen Konnotation des Begriffs verloren gingL
Die Unfreien, die einer yzwn'F'a angehörten, lebten zum großen Teil in Fami-
liengruppen auf Bauernstellen und werden in Abschnitt 4.5 behandelt. Bei ihnen
geht es um die Kernfamilie, um Fragen nach der Ehe zwischen Unfreien, sowie um
die Frage der Kinder, die aus Beziehungen von Freien und Unfreien
her vor gingen^.
Zunächst aber sollen die Strategien einzelner freier Familien, die in den Ur-
kunden und Notizen der Untersuchungsgebiete sichtbar werden, untersucht
werden. Dazu werden hier zugleich die größeren Verwandtschaftsgruppen in den
Blick genommen, die sich in immer neuer Weise aus agnatisch und kognatisch
mehrgradig Verwandten zusammensetzten, sowie die Kernfamilie aus Eltern und
Kindern, vielleicht noch Enkeln. Erstere erscheinen in den Quellen als coynah,
propznzpd, pro.U/tn oder parcnUs, wobei parcnUs in Bayern wohl überwiegend auf
die Eltern bzw. die Vorfahren allgemein bezogen wurde"*.
1 Zur Methode HARTUNG, Tradition, und die einschlägigen Werke o. 1.3.2.
2 In Ausnahmefällen wurden in der Frühzeit auch Kernfamilien von Unfreien als /äwilM
bezeichnet, s.u. 4.5.1. i-äwiiki! für den Domklerus erscheint allerdings noch im Wahlprivileg
Ludwigs des Kindes von 906 (D Ludwig das Kind 44 [906.05.08]), s.u. 4.2.1.
3 Zur Ehefähigkeit der Unfreien OBERMEIER, „ancilla" 81-98.
4 Dafür spricht die Parallelisierung parcMfcs - gCMÜores in TF 547ab (827.07.09/09.29), der
Gegensatz parcMfcs - posfen in 546 (827.05.29). In 669 (845.02.25) sind die parcMUs eindeutig
Vorfahren. Stiftungen zum Seelenheil anderer wurden in Bayern nur für nächste Verwandte