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Kohl, Thomas
Lokale Gesellschaften: Formen der Gemeinschaft in Bayern vom 8. bis zum 10. Jahrhundert — Mittelalter-Forschungen, Band 29: Ostfildern, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.34742#0038

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1.5 Die ethnische und soziale Gliederung

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Heinrich (948-55), der mit Arnulfs Tochter Judith verheiratet war, zum Herzog,
womit die Luitpoldinger den Herzogstitel verloren. Auf Heinrich folgte sein
gleichnamiger, erst vierjähriger Sohn (955-95), der wegen seiner Aufstände gegen
Otto II. und III. später den Beinamen „der Zänker" erhielt. Um ihn zu schwächen,
wurde nicht nur 976 ein neues Herzogtum Kärnten geschaffen, das Bayern nach
Südosten begrenzte, und ein Markgraf, der Babenberger Liutpold, in der Ostmark
- dem Vorläufer Österreichs zwischen Enns und Wienerwald - eingesetzt, sondern
auch das neu gegründete Bistum Prag dem Mainzer Erzbischof und nicht dem
Salzburger unterstellt. Auf Herzog Heinrich folgte 995 sein gleichnamiger Sohn,
der als letzter legitimer Urenkel Heinrichs I. in männlicher Linie die Königs- und
später die Kaiserkrone errang (1002-24).

1.5 Die ethnische und soziale Gliederung
1.5.1 Bdmwdrpn, Romdnpn,
In Bayern wurde wie in den anderen Regionen des fränkischen Großreichs
normativ grundsätzlich zwischen freien und unfreien Menschen unterschieden,
was vor allen Dingen in der Lex Baiuvariorum deutlich wird. Diese Aufteilung,
wie sie auch von Karl dem Großen vertreten'^' wurde, spiegelte aber nicht alle
Nuancen der gesellschaftlichen Realität wider. So kommen in den Quellen
zahlreiche Begriffe für Gruppen vor, die eine komplexe Gemengelage von
verschiedenen Abstufungen und Übergangsformen der Kategorien ,frei' und
,unfrei' wider spiegeln. Dies war grundsätzlich in allen frühmittelalterlichen
Gebieten der Fall, jedoch stellen sich die Verhältnisse in Bayern besonders
differenziert dar. In den Quellen begegnet hier eine große Vielfalt an
Bezeichnungen für soziale, rechtliche und ethnische Gruppen, die - wie Barschalk
und noMzs - in anderen Regionen nicht Vorkommen bzw. anders genutzt werden.
Da über die Fragen, die sich daraus ergeben, kein Forschungskonsens besteht'^,
sie aber für diese Arbeit bedeutend sind, sollen sie hier gesondert untersucht
werden.
In Bayern lebten im frühen Mittelalter nicht nur Baioarii-Baiuwaren, sondern
auch Menschen anderer Ethnizität. Neben Franken, die sicherlich auch in
Traditionsurkunden erscheinen, aber nie so bezeichnet werden, werden in der
Karolingerzeit vereinzelt Sachsen'^ und Alemannen*^ genannt. Häufiger sind
jedoch Romanen und Slawen^". Die Einwanderung von Slawen nach Bayern

126 So Karl der Große in der oft zitierten Responsa misso cuidam dato, c.l: non ost gmph'MS n;s;
FNr HMf seruMS (MGH Cap I, Nr. 58,145).
127 S. insbesondere die Abschnitte 1.5.2 und 1.5.3. Die beste knappe Zusammenstellung über die
bayerische Sozialstruktur findet sich bei WOLFRAM, Grenzen 332-36. Allgemein zur
Erforschung der Sozialstruktur HECHBERGER, Adel 93-97.
128 TF 369b (816.12.20).
129 TF 1033 (899.05.17).
130 Heinz DoPSCtt, Zum Anteil der Romanen und ihrer Kultur an der Stammesbildung der
Bajuwaren, in: Die Bajuwaren 47-54; Josef STURM, Romanische Personennamen in den
 
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