18
1. Einleitung
1.3 Forschungsgeschichte
1.3.1
Die Literatur zum Thema dieser Untersuchung, der ländlichen Gesellschaft des
frühen Mittelalters in Bayern, ist so umfangreich, dass hier nur ein kleiner
Überblick über die wichtigsten Tendenzen der Forschung der letzten Jahrhunderte
gegeben werden kann. Am Anfang jedes Kapitels wird aber ein Überblick über die
weitere, im jeweiligen Abschnitt relevante Literatur gewährt.
Die Vorstellung vom Dorf an sich, des darin lebenden freien germanischen
Hufenbauers und der alten Markgenossenschaft waren für die verfas-
sungsgeschichtliche Forschung seit ihren Anfängen mit Justus Möser und Karl
Friedrich Eichhorn im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert zentral^. Auf die
Spitze getrieben wurde die markgenossenschaftliche Theorie, also die Vorstellung,
dass sich die Freien eines Gebiets in der germanischen Frühzeit zu
Genossenschaften zusammengeschlossen hätten, die gemeinsam eine Mark
bewirtschafteten, durch Georg Ludwig von MaurerV
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts wurde diese Auffassung zunehmend
bestritten; vor allem Alfons Dopsch wandte sich gegen sie'T Mit dem Aufkommen
der so genannten ,neuen' verfassungsgeschichtlichen Lehre in den 1930er Jahren
verschwanden diese Themen fast vollständig aus der Geschichtswissenschaft. Da
der gemeinfreie Hufenbauer und die frühe Markgenossenschaft als Fiktionen
entlarvt worden waren - und sogar das Dorf für nicht existent gehalten wurde'^ -
und sich die Auffassung durchsetzte, die Gesellschaft des Mittelalters sei
aristokratisch gewesen^", gingen Forscher wie Theodor Mayer, Walter Schlesinger
Ackermann, Alois Schmid, Wilhelm Volkert (Schriftenreihe zur bayerischen
Landesgeschichte 140), München 2002,1-18.
16 Justus v. MÖSER, Osnabrückische Geschichte, 1. Theil, Berlin/Stettin d 819 (1. Aufl. 1768); Karl
F. v. EICHHORN, Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte, Theil 1, Göttingen d 834 (1. Aufl.
1818). Allgemein zur Geschichte der verfassungsgeschichtlichen Forschung bis 1920 Ernst W.
BÖCKENFÖRDE, Die deutsche verfassungsgeschichtliche Forschung im 19. Jahrhundert.
Zeitgebundene Fragestellungen und Leitbilder (Beiträge zur Verfassungsgeschichte 1), Berlin
1961. Aktuelle Übersichten über die Forschungslage bei Werner HECHBERGER, Adel im
fränkisch-deutschen Mittelalter. Zur Anatomie eines Forschungsproblems (Mittelalter-
Forschungen 17), Ostfildern 2005, bes. 15-68 sowie DEMS., Adel, Ministerialität und Ritter-
tum im Mittelalter (Enzyklopädie deutscher Geschichte 72), München 2004.
17 Vgl. etwa Georg Ludwig V. MAURER, Geschichte der Markenverfassung in Deutschland,
Erlangen 1856.
18 Vgl. etwa Alfons DOPSCH, Die Wirtschaftsentwicklung der Karolingerzeit vornehmlich in
Deutschland, 1. Teil, Weimar d921 (1. Aufl. 1911), 366-70, und DERS., Wirtschaftliche und
soziale Grundlagen der europäischen Kulturentwicklung aus der Zeit von Cäsar bis auf Karl
den Großen, 2 Bde., Wien d 923/24 (1. Aufl. 1918/20).
19 So etwa Karl Siegfried BADER, Die Rechtsgeschichte der ländlichen Siedlung, in: Ders.,
Gerhard Dilcher, Deutsche Rechtsgeschichte. Land und Stadt - Bürger und Bauer im Alten
Europa (Enzyklopädie der Rechts- und Staatswissenschaften. Abteilung Rechtswissenschaft),
Berlin u.a. 1999, 33.
20 So z.B. Heinrich DANNENBAUER, Adel, Burg und Herrschaft bei den Germanen. Grundlagen
der deutschen Verfassungsentwicklung, in: HJb 61 1941, 1-50, hier 1. Zur neuen Lehre
1. Einleitung
1.3 Forschungsgeschichte
1.3.1
Die Literatur zum Thema dieser Untersuchung, der ländlichen Gesellschaft des
frühen Mittelalters in Bayern, ist so umfangreich, dass hier nur ein kleiner
Überblick über die wichtigsten Tendenzen der Forschung der letzten Jahrhunderte
gegeben werden kann. Am Anfang jedes Kapitels wird aber ein Überblick über die
weitere, im jeweiligen Abschnitt relevante Literatur gewährt.
Die Vorstellung vom Dorf an sich, des darin lebenden freien germanischen
Hufenbauers und der alten Markgenossenschaft waren für die verfas-
sungsgeschichtliche Forschung seit ihren Anfängen mit Justus Möser und Karl
Friedrich Eichhorn im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert zentral^. Auf die
Spitze getrieben wurde die markgenossenschaftliche Theorie, also die Vorstellung,
dass sich die Freien eines Gebiets in der germanischen Frühzeit zu
Genossenschaften zusammengeschlossen hätten, die gemeinsam eine Mark
bewirtschafteten, durch Georg Ludwig von MaurerV
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts wurde diese Auffassung zunehmend
bestritten; vor allem Alfons Dopsch wandte sich gegen sie'T Mit dem Aufkommen
der so genannten ,neuen' verfassungsgeschichtlichen Lehre in den 1930er Jahren
verschwanden diese Themen fast vollständig aus der Geschichtswissenschaft. Da
der gemeinfreie Hufenbauer und die frühe Markgenossenschaft als Fiktionen
entlarvt worden waren - und sogar das Dorf für nicht existent gehalten wurde'^ -
und sich die Auffassung durchsetzte, die Gesellschaft des Mittelalters sei
aristokratisch gewesen^", gingen Forscher wie Theodor Mayer, Walter Schlesinger
Ackermann, Alois Schmid, Wilhelm Volkert (Schriftenreihe zur bayerischen
Landesgeschichte 140), München 2002,1-18.
16 Justus v. MÖSER, Osnabrückische Geschichte, 1. Theil, Berlin/Stettin d 819 (1. Aufl. 1768); Karl
F. v. EICHHORN, Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte, Theil 1, Göttingen d 834 (1. Aufl.
1818). Allgemein zur Geschichte der verfassungsgeschichtlichen Forschung bis 1920 Ernst W.
BÖCKENFÖRDE, Die deutsche verfassungsgeschichtliche Forschung im 19. Jahrhundert.
Zeitgebundene Fragestellungen und Leitbilder (Beiträge zur Verfassungsgeschichte 1), Berlin
1961. Aktuelle Übersichten über die Forschungslage bei Werner HECHBERGER, Adel im
fränkisch-deutschen Mittelalter. Zur Anatomie eines Forschungsproblems (Mittelalter-
Forschungen 17), Ostfildern 2005, bes. 15-68 sowie DEMS., Adel, Ministerialität und Ritter-
tum im Mittelalter (Enzyklopädie deutscher Geschichte 72), München 2004.
17 Vgl. etwa Georg Ludwig V. MAURER, Geschichte der Markenverfassung in Deutschland,
Erlangen 1856.
18 Vgl. etwa Alfons DOPSCH, Die Wirtschaftsentwicklung der Karolingerzeit vornehmlich in
Deutschland, 1. Teil, Weimar d921 (1. Aufl. 1911), 366-70, und DERS., Wirtschaftliche und
soziale Grundlagen der europäischen Kulturentwicklung aus der Zeit von Cäsar bis auf Karl
den Großen, 2 Bde., Wien d 923/24 (1. Aufl. 1918/20).
19 So etwa Karl Siegfried BADER, Die Rechtsgeschichte der ländlichen Siedlung, in: Ders.,
Gerhard Dilcher, Deutsche Rechtsgeschichte. Land und Stadt - Bürger und Bauer im Alten
Europa (Enzyklopädie der Rechts- und Staatswissenschaften. Abteilung Rechtswissenschaft),
Berlin u.a. 1999, 33.
20 So z.B. Heinrich DANNENBAUER, Adel, Burg und Herrschaft bei den Germanen. Grundlagen
der deutschen Verfassungsentwicklung, in: HJb 61 1941, 1-50, hier 1. Zur neuen Lehre