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Kohl, Thomas; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Lokale Gesellschaften: Formen der Gemeinschaft in Bayern vom 8. bis zum 10. Jahrhundert — Mittelalter-Forschungen, Band 29: Ostfildern, 2010

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.34742#0093

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92

2. Besitzübertragungen im frühmittelalterlichen Bayern

Hin und wieder ersetzte eine Tradition an eine Kirche ein geschuldetes
Wergeid'auch die Bischöfe waren hin und wieder gezwungen, Land als Ersatz
für ein Wergeid zu vergeben^.
Insgesamt zeigen die geschilderten Motive, dass Erwartungen an die Heiligen
und an Gott selbst - Seelenheil, die Begleitung auf einer gefährlichen Reise oder
Heilung - eng mit Erwartungen an den irdischen Vertreter der Heiligen, einen
Bischof oder Abt, verwoben waren, der irdischen Schutz und Unterstützung bieten
oder aber konkreter eine kirchliche Karriere ermöglichen, eine Reiseerlaubnis
erteilen oder eine erweiterte Prekarie überlassen sollte. Wie stark die
außerreligiösen Gründe für eine Schenkung waren, zeigen die Schenkungen unter
Laien, die sicherlich zumeist durch Druck verursacht wurden, Belohnung waren
oder der gegenseitigen Beziehungspflege dienten'^. Daneben spielte sicherlich
auch die zunehmende christliche Durchdringung Bayerns, die mit einer
Gründungswelle bei Kirchen und Klöstern im 8. Jahrhundert verbunden war'A
eine Rolle. Sie stärkte einerseits die Motivation der potentiellen Schenker und bot
ihnen zugleich auch erweiterte Möglichkeiten, Kirchen und ihre Heiligen zu
unterstützen. Die gilt auch für die Bischofskirchen, die erst nach 739 weitgehend
gefestigt waren.
So relevant und ernst zu nehmen diese Schenkungsgründe sind - ob sie nun
stärker weltlich oder religiös geprägt waren - eine ausreichende Antwort auf die
Frage, warum es zu der großen Schenkungswelle an die Kirchen kam, sind sie
nicht. Denn fast alle diese Gründe - bis auf die Existenzangst der Übergangszeit
zu den Karolingern - waren vor 750 und insbesondere nach 850 ebenso real und
erscheinen auch in den wenigen Traditionen, die es nach dieser Zeit noch gab. Es
wird daher unten (2.5.) noch auf die anderen, ungenannten Ursachen gerade für
das Abflauen der großen Schenkungswelle ein gegangen.
2.4 Bedingte Schenkungen
Obwohl die Aussicht auf Rückverleihung die Bereitschaft der Bevölkerung zu
frommen Gaben sicherlich erhöhte, ist die Tatsache, dass das tradierte Eigentum
überwiegend noch eine oder zwei Generationen in der Hand der Tradenten blieb,
keine hinreichende Erklärung für die hohe Anzahl von Traditionen^. Die
Schenkung auf den Todfall oder die sofortige Rückverleihung als Prekarie oder
bcnc/zczMüi waren aber eindeutig der Normalfall in den bayerischen Urkunden der

132 TF 318 (814.06.22), vgl. auch 259 (807.07.21), wo eine Tradition als Entschädigung für einen
Diebstahl erfolgte. Andere verkauften Land an Kirchen, um ein Wergeid zahlen zu können:
TF 592ab (830.04.27).
133 TF 679 (846.05.19), wo der Schultheiß Isanpato von Bischof Erchanperht eine cokwL als Lehen
für das Wergeid seines Barschalken Kaganhart erhielt. Das gleiche erhielt ein Engilperht,
nachdem seine Tochter von einer HMdiig Freisings vergiftet worden war (TF 738 [853.09.08]).
Auch für andere Vergehen mussten die Bischöfe zahlen: TF 268a (807/8), 275 (808.05.30).
134 S. die Belege o. Anm. 84, allgemein dazu HANNIG, Ars donandi.
135 S.u. 5.1.4.
136 Nur sehr selten wurden auch die Enkel als dritte Generation noch berücksichtigt: TF 623
(836). Zu Prekarien und Benefizien s. den nächsten Abschnitt.
 
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