6. Zeugen und Amtsträger
6.1 Zeugen und Amtsträger im frühen Mittelalter
Die Untersuchung von Zeugenreihen ist seit langer Zeit ein wichtiges Feld der
Frühmittelalterforschung, das Erkenntnisse über Ansehen, Mobilität, persönliche
Kontakte, Patronagenetzwerke und Familienzusammenhänge erbringen ka n n'. Im
bayerischen Kontext wurden die Zeugenlisten der Freisinger, Regensburger, Pas-
sauer und späterer Salzburger Traditionen bisher vor allem dazu genutzt, im
Rahmen besitzgeschichtlich-genealogischer Forschung Familienkreise zu rekon-
struierend Im Rahmen dieser Arbeit werden die Zeugen aber nicht primär aus
diesem Blickwinkel betrachtet werden, sondern sie und die verschiedenen
Gruppen, die sie bilden, ihre Einbindung in die sozialen und politischen
Strukturen Bayerns, die Regionen und Dörfer sowie ihre Funktion untersucht
werden. Hier sollen die Zeugen also zunächst nicht als Angehörige ihrer Familien,
sondern in ihrer Rolle als Zeugen betrachtet werden, auch wenn die
Verwandtschaftsstrukturen darin ein wesentlicher Bezugspunkt sind. Grund-
sätzlich wurden ihre Namen in die Urkunden der ursprünglichen Traditionen
auf genommen. Bei der darauf folgenden Investitur geschah dies nur recht selten,
meist, wenn es um größere oder umstrittene Transaktionen ging, insbesondere in
den Jahren zwischen 824 und 840, der Zeit der ausführlichsten Überlieferung.
Die Bedeutung der Zeugen für eine frühmittelalterliche Rechtshandlung war
besonders hoch. Sie garantierten in einem Schriftarmen Umfeld die Gültigkeit und
Dauerhaftigkeit einer Transaktion oder Gerichtsentscheidung^, sie sollten auch die
Übervorteilung eines Verkäufers, insbesondere eines Armen, verhindern^ und
konnten auch noch Jahrzehnte später herbeigerufen werden, um die Umstände
einer Transaktion darzuiegenk Damit zusammenhängend dienten sie auf einer
alltäglicheren Basis als lebendiges Grundbuch, das die Besitzumstände eines Orts
so genau wie möglich kennen musstet Diese - insbesondere in einer agrarischen
Gesellschaft - für den Alltag unabdingbare Aufgabe war notwendigerweise auch
lokal, da schließlich die vor Ort lebenden Menschen wissen mussten, wie weit ihr
Acker, ihre Weide oder ihr Wald reichen. Damit ist nicht gesagt, dass die Zeugen
selbst ihr eigenes Land bebauten; in vielen Fällen ist das vermutlich nicht der Fall
1 Wegweisend war SPRANDEL, St. Gallen.
2 S.o. 4.1.
3 Klassisch Heinrich BRUNNER, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 2 (Systematisches Handbuch
der deutschen Rechtswissenschaft, Abt. 2, Teil 1), Leipzig 4 892, 391-95.
4 SlEMS, Handel 755.
5 Etwa TF 702 (848/53.10.14), wo der Vogt Piligrim, der Bruder eines verstorbenen Tradenten,
die Eidhelfer einer Jahrzehnte zurückliegenden Schenkung herbeirief, um die Grenzen des
Besitzstücks aufzeigen zu lassen. S. auch u. 6.3.2 zu den Zeugen des Konflikts um die
Kirchen des Arperht im Isenraum.
6 STAAB, Untersuchungen 260-62, bezeichnet Zeugen als „Erinnerungskataster".
6.1 Zeugen und Amtsträger im frühen Mittelalter
Die Untersuchung von Zeugenreihen ist seit langer Zeit ein wichtiges Feld der
Frühmittelalterforschung, das Erkenntnisse über Ansehen, Mobilität, persönliche
Kontakte, Patronagenetzwerke und Familienzusammenhänge erbringen ka n n'. Im
bayerischen Kontext wurden die Zeugenlisten der Freisinger, Regensburger, Pas-
sauer und späterer Salzburger Traditionen bisher vor allem dazu genutzt, im
Rahmen besitzgeschichtlich-genealogischer Forschung Familienkreise zu rekon-
struierend Im Rahmen dieser Arbeit werden die Zeugen aber nicht primär aus
diesem Blickwinkel betrachtet werden, sondern sie und die verschiedenen
Gruppen, die sie bilden, ihre Einbindung in die sozialen und politischen
Strukturen Bayerns, die Regionen und Dörfer sowie ihre Funktion untersucht
werden. Hier sollen die Zeugen also zunächst nicht als Angehörige ihrer Familien,
sondern in ihrer Rolle als Zeugen betrachtet werden, auch wenn die
Verwandtschaftsstrukturen darin ein wesentlicher Bezugspunkt sind. Grund-
sätzlich wurden ihre Namen in die Urkunden der ursprünglichen Traditionen
auf genommen. Bei der darauf folgenden Investitur geschah dies nur recht selten,
meist, wenn es um größere oder umstrittene Transaktionen ging, insbesondere in
den Jahren zwischen 824 und 840, der Zeit der ausführlichsten Überlieferung.
Die Bedeutung der Zeugen für eine frühmittelalterliche Rechtshandlung war
besonders hoch. Sie garantierten in einem Schriftarmen Umfeld die Gültigkeit und
Dauerhaftigkeit einer Transaktion oder Gerichtsentscheidung^, sie sollten auch die
Übervorteilung eines Verkäufers, insbesondere eines Armen, verhindern^ und
konnten auch noch Jahrzehnte später herbeigerufen werden, um die Umstände
einer Transaktion darzuiegenk Damit zusammenhängend dienten sie auf einer
alltäglicheren Basis als lebendiges Grundbuch, das die Besitzumstände eines Orts
so genau wie möglich kennen musstet Diese - insbesondere in einer agrarischen
Gesellschaft - für den Alltag unabdingbare Aufgabe war notwendigerweise auch
lokal, da schließlich die vor Ort lebenden Menschen wissen mussten, wie weit ihr
Acker, ihre Weide oder ihr Wald reichen. Damit ist nicht gesagt, dass die Zeugen
selbst ihr eigenes Land bebauten; in vielen Fällen ist das vermutlich nicht der Fall
1 Wegweisend war SPRANDEL, St. Gallen.
2 S.o. 4.1.
3 Klassisch Heinrich BRUNNER, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 2 (Systematisches Handbuch
der deutschen Rechtswissenschaft, Abt. 2, Teil 1), Leipzig 4 892, 391-95.
4 SlEMS, Handel 755.
5 Etwa TF 702 (848/53.10.14), wo der Vogt Piligrim, der Bruder eines verstorbenen Tradenten,
die Eidhelfer einer Jahrzehnte zurückliegenden Schenkung herbeirief, um die Grenzen des
Besitzstücks aufzeigen zu lassen. S. auch u. 6.3.2 zu den Zeugen des Konflikts um die
Kirchen des Arperht im Isenraum.
6 STAAB, Untersuchungen 260-62, bezeichnet Zeugen als „Erinnerungskataster".