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Kohl, Thomas; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Lokale Gesellschaften: Formen der Gemeinschaft in Bayern vom 8. bis zum 10. Jahrhundert — Mittelalter-Forschungen, Band 29: Ostfildern, 2010

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.34742#0272

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6.1 Zeugen und Amtsträger im frühen Mittelalter

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gewesen. Dennoch musste der Zeugenkreis insbesondere bei der Investitur eine
lokale Komponente haben. Es ist hier an eine kleine lokale Elite aus Grund-
besitzern vor Ort oder zumindest in der unmittelbaren Nachbarschaft zu denkend
Dies fordert auch die Lex Baiuvariorum, die bei Konflikten um Grundstücke den
lokalen Sachverstand der Zeugen verlangt. Sie sollten commarcan/' sein, die ein Ver-
mögen von je sechs sohdz in Land und pccMMM besaßen^. Diese Bestimmung wurde
offenbar eingehalten, wie ein Beispiel von 773 zeigt, in dem der Zeugenaufzählung
der Zusatz de Ins in in ca dem tdda posszdere tddcfwtH/r angefügt ist". Die Zeugen
(oder zumindest die letztgenannten) waren also Landbesitzer im Ort.
Zugleich hatten aber selbstverständlich auch die Land besitzenden, über-
tragenden und erwerbenden Grundbesitzer ein Interesse, wenn sie weit weg von
ihren Besitzstücken lebten, wie es bei großen Grundherren der Lall war, dass die
genauen Eigentumsverhältnisse eines Landstücks weitläufig bekannt waren. Auch
für Institutionen wie den Liskus oder eine Kirche waren sicherlich Vertrauensleute
bei den verschiedenen Schritten einer Transaktion anwesend. Sehr häufig, wenn
auch nicht immer, wie in der Literatur teilweise angenommen wird'", waren
Lamilienmitglieder unter den Zeugen vertreten. Dies hatte zunächst die
offensichtliche Lunktion, ein Lamilienmitglied bei einem wichtigen Akt zu
unterstützen", muss aber auch vor dem Hintergrund der rechtlichen Probleme
einer Tradition verstanden werden. Die meisten Konflikte um Schenkungen, wie
sie in den Lreisinger Urkunden in den ersten Jahrzehnten des 9. Jahrhunderts zu
erkennen sind, lassen sich auf familiäre Ansprüche zurückführen". In dieser Zeit,
in der die bayerischen Kirchen mit Unterstützung der neuen karolingischen
Herrscher eine größere Kontrolle über ihr häufig nur nominelles Eigentum ge-
winnen wollten, konnten Erben nicht mehr wie vorher erwarten, dass ihnen der
Besitz ihrer Vorfahren ohne Weiteres wieder verliehen wurde". Daher

7 Helmut MAURER, „Grenznachbarn" und Fon; Fomwcs. Zur Bildung kommunikativer
Gruppen im hohen Mittelalter, in: Medievalia Augiensia, hg. v. Jürgen Petersohn (VuF 54),
Stuttgart 2001, 101-124, hier 105f. Maurer weist für das hohe Mittelalter nach, dass von
Zeugen, die eine solche Aufgabe erfüllen, erwartet wird, dass sie Nachbarn sind, ebenso wie
von ihnen Wahrhaftigkeit und Weisheit verlangt wird (lllf.). Adlig scheinen sie zumeist
nicht gewesen zu sein (114).
8 Tit. 17,2, dazu VON OLBERG, Bezeichnungen 141 -44. Die Vermögensgrenze sollte wohl die
Unabhängigkeit und Unbestechlichkeit der Zeugen sichern.
9 TF 58 (773.07.09), s. auch BN 14,40, wo bei einem placÜMM über Besitzstreitigkeiten die
namentlich genannten w'cüd, die um den umstritten Besitz herum wohnten, eine Rolle
spielten: Rem de eadem re CMm eodem FFFoMe placdMm esf FaFÜMm pro sdua et cop/mio ipsiMS Radü
cioms Atoms ad Per?%7oV aF Am episcopo CMm düs uicims, ;F; cRcMmpMapMe FaFeFawt, id est
GMmFotdo, U'Mperfo, HerFerto. In TR 61 (ca. 863/85), der Schenkung eines Langobarden in
Oberitalien, wird betont, dass sechs Zeugen de ipso loco seien, während drei weitere (mit
romanischen Namen) de Romania waren.
10 STURM, Preysing 32-39, 47-50. S. auch TF 265ab (807/8.04.19/808/11), die eine Tradition und
ihre Erneuerung beinhalten. Die Zeugenlisten beider Akte zeigen keinerlei Übers-
chneidungen, obwohl die Erneuerung ausdrücklich mit Zustimmung der Verwandten
durchgeführt wurde. Zumindest bei der ursprünglichen Tradition scheinen keine Verwand-
ten unter den Zeugen gewesen zu sein - möglicherweise ist dies der Grund für die
Wiederholung.
11 S. dazu o.4.1,4.2.1.
12 BROWN, Seizure 76; JAHN, Tradere 410-14.
13 S. die Beispiele o. 5.1.1, 5.1.2.
 
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