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Kohl, Thomas; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Lokale Gesellschaften: Formen der Gemeinschaft in Bayern vom 8. bis zum 10. Jahrhundert — Mittelalter-Forschungen, Band 29: Ostfildern, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.34742#0174

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4.2 Der Amperraum

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Hoffnungsträger der Familie tot war und möglicherweise mit weiteren Ge-
waltakten zu rechnen war, konnte die Schenkung an eine Kirche mit
Rückverleihung als letzter Ausweg erscheinen: Auf Lebenszeit konnten alle Über-
lebenden die großen Familienländereien sicher nutzen, die als Kircheneigentum
nun nur noch schwer von Feinden beansprucht werden konnten. Auch der Sohn
Hrodin, der möglicherweise nicht zum Familienoberhaupt geeignet schien -
vielleicht, weil er noch zu jung war - wurde der Bedrohung so weit wie möglich
entzogen, indem er für eine Klerikerlaufbahn vorgesehen wurde A
Die Fehde lief wohl schon seit mindestens 758, als Am von Salzburgs Vater
Haholt schwer verwundet wurde und, wie Jahre später Onolf, seinem Sohn durch
eine große Schenkung eine kirchliche Karriere er öffnete A 763, bei der Gründung
des Klosters Scharnitz, trat der mit Haholt verwandte Cros ins Kloster ein. Er war
ebenfalls schwer verwundet worden und zwar durch einen Grafen Kepahoh -
vermutlich der Schwiegervater Onolfs und Großvater des ermordeten Kepa-
hoh/KeparohA Auf beiden Seiten des Konflikts wurden also ähnliche Strategien
genutzt, die zudem beide letztendlich Freising und seinen Bischöfen Joseph und
Arbeo, die solche Lösungen sicherlich förderten, zugute kamenA Die Freisinger
Bischofskirche wurde also wohl von keiner der beiden Konfliktparteien als
parteiisch empfunden; jedenfalls wurde es auf beiden Seiten für sinnvoll und
heilbringend erachtet, sich, die Söhne und den Familienbesitz dieser Kirche anzu-
vertrauen. Ein Fall aus Wörth an der Isar zeigt, dass Tradenten, deren zunächst
geschenktes und dann zurückverliehenes Gut entfremdet wurde, durchaus die
Chance hatten, es etwa mit Hilfe der miss/' wiederzugewinnenA
Auch in weniger drastischen Fällen wurde, wenn Kinder, die ihre Eltern über-
lebten, noch sehr jung und daher schutzlos waren, manchmal der Familienbesitz
unter der Voraussetzung an eine Kirche gegeben, dass er als ?wnc//'d//m an das
überlebende Kind ging. Am Tag seines Todes übergab ein Kaganhart 820 seinen
Besitz in Vorder(Mitter)fischen am Ammersee an seinen Neffen Reginhelm, damit
dieser ihn an die Bischofskirche tradiereA Reginhelm kam daraufhin nach
Vierkirchen, wo sich Bischof Hitto aufhielt, übergab den Besitz und kommendierte
seinen Cousin, den /A/anü/h/s Kaganharts, dem Bischof und entledigte sich so der
Sorge für die Waise. Der Bischof verlieh den Besitz daraufhin an das Kind, dessen
Namen nicht erwähnt wird, gegen einen jährlichen Zins von sechs Denaren.
Auch aus der Familie Bischof Hittos selbst sind ähnliche Strategien bekannt,
mit dem Unterschied, dass hier nicht die Unmündigkeit oder Bedrohung, sondern
die Abwesenheit des Eigentümers das Problem war. In Holzhausen (Lkr. Pfaffen-
hofen) verschenkte Cotesdiu, die Schwester Hittos, 815 den Besitz ihres Sohnes

78 MAYR, 1200 Jahre 546, spekuliert, dass Hrodin letztendlich vielleicht doch nicht Priester
wurde und einen Sohn Toti hatte, der nach TF 190 (802/8) Besitz in der Nähe hatte.
79 TF 11 (758.05.27).
80 TF 19 (763.06.29).
81 In TF 11 wird Joseph eindeutig als treibende Kraft für den Kirchenbau genannt. Das Kloster
Scharnitz gehörte von Anfang an dem Freisinger Bischof.
82 TF 232 (806/7.09.29). Der Grundbesitz war nach dem Text der Urkunde dem Priester Otker
(nicht dem Bischof!) von einem Grafen Cotheram entfremdet worden und durch zwei von
Karl dem Großen gesandte miss; wiedergegeben worden.
TF 435 (820.04.15).

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