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Kohl, Thomas; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Lokale Gesellschaften: Formen der Gemeinschaft in Bayern vom 8. bis zum 10. Jahrhundert — Mittelalter-Forschungen, Band 29: Ostfildern, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.34742#0195

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194

4. Familie

mit Familienbruchstücken zu tun haben. So finden sich bei einem Tausch um die
Wende vom 10. zum 11. Jahrhundert unter 18 mandp/Zi ein Ehepaar Hazo und
Hetto mit sechs Kindern, ein Guntheri, ein Isanpreht mit drei Brüdern, Oadalloh
und sein Bruder Gotta und noch zwei weitere Dennoch war eine Heirat
sicher in den allermeisten Fällen vorgesehen.
Der zweite Grund für die steigende Anzahl wahrscheinlich verheirateter Un-
freier war, dass sich in der gleichen Zeit ein Wandel im Eheverständnis vollzog.
Die Ehe bekam seit dem 9. Jahrhundert allmählich einen sakramentalen Status und
wurde zunehmend - auch bei scrd und anc/'Eac - unauflöslich. Dies schränkte die
Spielräume der Herren ein'"", die sich zunehmend auch damit arrangieren
mussten, dass ihre Abhängigen Ehen mit den Unfreien anderer Herren eingingen.
Dies verursachte Probleme und es ist sehr wahrscheinlich, dass sich hinter vielen
der ab Mitte des 9. Jahrhunderts massenhaft auf treten den Tauschurkunden, in
denen nur einzelne Unfreie, Männer wie Frauen mit oder ohne Kinder gegen-
einander getauscht wurden, eine solche Problematik verbarg'"". Dass dies auch bei
größeren Tauschgeschäften der Hintergrund sein konnte, zeigt eine Urkunde aus
der Zeit Bischof Abrahams, der sich 957/72 in Lappach östlich von Isen mit Bischof
Michael von Regenburg traf, um über die Frage zu beraten, was wegen der
Manzipien aus den yzwnhao von Helfendorf und dem Kloster Isen zu tun sei, die
sich ehelich verbunden hätten (& MMwdpns cx /zwnha conzM^üs)'"". Man
einigte sich darauf, 21 Unfreie, die in Isen geboren worden waren, die meisten
davon Frauen mit ihren Kindern, an den Regensburger Bischof zu übergeben,
während der Freisinger Bischof 20 Unfreie, wiederum fast ausschließlich Frauen
mit Kindern, erhielt, die auf der czzrfzs Helfendorf geboren worden waren. Hier
waren also so viele Ehen (mindestens sieben) zwischen den Unfreien der immer-
hin 40 km auseinander gelegenen grundherrschaftlichen Zentren geschlossen
worden, dass die Eigentümer sich gezwungen sahen, in einem großen Tausch die
Situation virilokal zu bereinigen^"". Die Beziehungen zwischen den Unfreien der
beiden etwa 40 km entfernt hegenden Grundherrschaften dürften auch ein An-
zeichen für die beträchtliche Mobilität der Unfreien sein.

195 TF 1327 (994/1005).
196 LE JAN, Familie 277-84; Hans-Werner GOETZ, Frauen im frühen Mittelalter. Frauenbild und
Frauenleben, Weimar u.a. 1995,185-90.
197 Aber nicht allen: eine Hnddz wurde als Schadensersatz übergeben TF 1107 (937/57).
198 Tauschgeschäfte im übrigen Bayern: TF 754, 756 (beide ca. 855/60), 760 (856/59), 767, 773, 774,
781, 782 (alle 856/60), 795, 797 (beide 857/64), 827, 839, 846, 852 (alle 859/75), 867, 886 (beide
860/75), 893ab, 897 (864/75), 895 (864/75.11.12), 920, 921, 923 (alle ca. 875/6), 927 (875/80), 936,
938, 943 (alle ca. 876/80), 955 (876/83), 966, 976, 993, 1006 (alle ca. 887/95), 1008, 1010, 1013,
1023 (alle 895/99), 1040 (907/26), 1046 (nach 908), 1049, 1052-1054, 1060, 1075, 1079, 1081,
1082,1085 (alle 926/37), 1088,1090,1093, 1095, 1101-4, 1108 (alle 937/57), 1123 (948/55), 1135
(948/57), 1144 (955/57), 1157, 1162, 1174, 1189, 1204, 1207 (alle 957/72), 1236 (972/6), 1279,
1280b (beide 977/81),1326,1345 (beide 994/1005), TR 43 (ca. 863/871), 63, 64 (beide ca. 863/85),
130,133 (beide 888/9), 149,155,161 (alle 889/91), 186 (901), 193 (942/72), CO 15 (925), 66 (927),
81a (931.02.08).
199 TF 1166. Einen ähnlichen Hintergrund kann man in TR 132 (888/9) vermuten.
200 Eines der wenigen anderen Beispiele für solche Ehen in TR 17 (820.12.02/821.02.08), wo 817
ein Henricus mit seinem gesamten Besitz übertragen wurde, CMZMS Znmon Mxor non rsZ mm.
 
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