5.1 Kirchen
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Auch ohne selbst Kirchen zu gründen, konnten die Bischöfe in der Zeit
zwischen 770 und 830 ihren Bestand an Kirchen erheblich vergrößern: Sie er-
mutigten große und kleine Landbesitzer dazu, in ihren Dörfern und Weilern
Kirchen zu errichten, und versuchten anschließend, sie sich tradieren zu lassen.
Dieses sehr erfolgreiche Werben führte dazu, dass wir einen unvergleichlichen
reichen Schatz an Berichten über Kirchentraditionen haben.
Der starke Rückgang der Kirchenschenkungen an Freising, der am Ende
dieser Phase zu beobachten ist, liegt vor dem Ende der sonstigen Schenkungs-
tätigkeit. Er passt aber zu dem Trend, dass in dieser Zeit die durchschnittliche
Schenkungsgröße erheblich zurückging. Darüber hinaus wurde die Stellung der
Eigenkirchenherren in der Gesetzgebung Ludwigs des Frommen 818/19 und 829
gestärkt, was die Druckmittel der Bischöfe gegenüber Kircheneigentümern ver-
mindert haben dürfte'"".
In dieser sehr dynamischen spätagilolfingischen und frühkarolingischen Zeit
gründeten auch solche Menschen Kirchen, die keine Vollfreien waren. Angesichts
ihrer hohen Zahl besonders in Gegenden mit dichtem Königsgut ist dies auch
wenig überraschend, denn wer, wenn nicht die Fiskalinen, Barschalken und
Tributalen des Herzogs, hätte dort Kirchen errichten können? Dies gilt in
besonderem Maße für die romanischen Gegenden bei Salzburg, deren Bewohner ja
zumindest teilweise Minderfreie waren'"". Gerade die Romanen waren vermutlich
schon vor den meisten Bayern Christen und bauten deshalb natürlich auch schon
früh Kirchen'"". Zeugnisse dafür gibt es allerdings nur ganz vereinzelt. Bei der
Synode von Reisbach-Salzburg-Freising von ca. 800 fassten die bayerischen
Bischöfe einen Beschluss, der keine Parallelen in den Konzilien dieser Zeit hat:
Den Bischöfen und Äbten wurde verboten, etwas vom Besitz der königlichen
fn'H/htLs wegzunehmen, indem sie etwa eine von diesen erbaute Kirche weihten'"".
Es war also durchaus üblich, dass Minderfreie Kirchen bauten, auch wenn hier
den Bischöfen (und Äbten!) verboten wurde, sie sich ohne Erlaubnis des Königs
anzueignen, zu dessen Eigentum sie offenbar wie der Besitz der Tributalen
insgesamt gezählt wurden. Zudem scheint es einen Automatismus von Weihe und
Tradition gegeben zu haben, denn die Teilnehmer des Konzils gingen offenbar
davon aus, dass die Weihe der Kirche die Enteignung des Königs bedeutete. Diese
Regelung hatte auch einen Bezug zur Lebenswelt, wie der Konflikt zwischen dem
Freisinger Bischof Atto und dem Abt von Chiemsee, Liutfrid aus dem Jahr 804
zeigt"". Im Konflikt, auf den unten noch eingegangen wird, wurde für die Kirche
in Mietraching westlich von Rosenheim festgestellt, dass sie aus der Tradition
eines /zomo /LcaEm/s stammte und deshalb dem Bischof gehören musste - im
beiden Zehnten waren offenbar zur Finanzierung des Kirchenbaus gedacht. ist
das Haarkirchen benachbarte Kempfenhausen.
106 HARTMANN, Zustand 418 mit Bezug auf cc.9-10 des Capitulare ecclesiasticum von 818/19
(MGH Cap I, Nr. 138, 277), c.2 des Capitulare Wormatiense (MGH Cap II, Nr. 191, 12) und
c.18 der Relatio episcoporum (MGH Cap II, Nr. 196, 35).
107 S.o. 1.5.1
108 DlEPOLDER, Laurentiuspatrozinien 395.
109 C.30 (MGH Conc 11,1, Nr. 24, 211): md/MS episcopMS aMws s;N achm/mm HM&af ms
fnFMfHNMm dom?!; rngis, L7 esf FasiNcas comm FeMohivm ud a faN coMchhoMP pcrhMcm
UKMMr, domMMS mx Fof pLMdcr .
110 TF 193ab (804.01.13), zum Konflikt u. 5.1.7.
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Auch ohne selbst Kirchen zu gründen, konnten die Bischöfe in der Zeit
zwischen 770 und 830 ihren Bestand an Kirchen erheblich vergrößern: Sie er-
mutigten große und kleine Landbesitzer dazu, in ihren Dörfern und Weilern
Kirchen zu errichten, und versuchten anschließend, sie sich tradieren zu lassen.
Dieses sehr erfolgreiche Werben führte dazu, dass wir einen unvergleichlichen
reichen Schatz an Berichten über Kirchentraditionen haben.
Der starke Rückgang der Kirchenschenkungen an Freising, der am Ende
dieser Phase zu beobachten ist, liegt vor dem Ende der sonstigen Schenkungs-
tätigkeit. Er passt aber zu dem Trend, dass in dieser Zeit die durchschnittliche
Schenkungsgröße erheblich zurückging. Darüber hinaus wurde die Stellung der
Eigenkirchenherren in der Gesetzgebung Ludwigs des Frommen 818/19 und 829
gestärkt, was die Druckmittel der Bischöfe gegenüber Kircheneigentümern ver-
mindert haben dürfte'"".
In dieser sehr dynamischen spätagilolfingischen und frühkarolingischen Zeit
gründeten auch solche Menschen Kirchen, die keine Vollfreien waren. Angesichts
ihrer hohen Zahl besonders in Gegenden mit dichtem Königsgut ist dies auch
wenig überraschend, denn wer, wenn nicht die Fiskalinen, Barschalken und
Tributalen des Herzogs, hätte dort Kirchen errichten können? Dies gilt in
besonderem Maße für die romanischen Gegenden bei Salzburg, deren Bewohner ja
zumindest teilweise Minderfreie waren'"". Gerade die Romanen waren vermutlich
schon vor den meisten Bayern Christen und bauten deshalb natürlich auch schon
früh Kirchen'"". Zeugnisse dafür gibt es allerdings nur ganz vereinzelt. Bei der
Synode von Reisbach-Salzburg-Freising von ca. 800 fassten die bayerischen
Bischöfe einen Beschluss, der keine Parallelen in den Konzilien dieser Zeit hat:
Den Bischöfen und Äbten wurde verboten, etwas vom Besitz der königlichen
fn'H/htLs wegzunehmen, indem sie etwa eine von diesen erbaute Kirche weihten'"".
Es war also durchaus üblich, dass Minderfreie Kirchen bauten, auch wenn hier
den Bischöfen (und Äbten!) verboten wurde, sie sich ohne Erlaubnis des Königs
anzueignen, zu dessen Eigentum sie offenbar wie der Besitz der Tributalen
insgesamt gezählt wurden. Zudem scheint es einen Automatismus von Weihe und
Tradition gegeben zu haben, denn die Teilnehmer des Konzils gingen offenbar
davon aus, dass die Weihe der Kirche die Enteignung des Königs bedeutete. Diese
Regelung hatte auch einen Bezug zur Lebenswelt, wie der Konflikt zwischen dem
Freisinger Bischof Atto und dem Abt von Chiemsee, Liutfrid aus dem Jahr 804
zeigt"". Im Konflikt, auf den unten noch eingegangen wird, wurde für die Kirche
in Mietraching westlich von Rosenheim festgestellt, dass sie aus der Tradition
eines /zomo /LcaEm/s stammte und deshalb dem Bischof gehören musste - im
beiden Zehnten waren offenbar zur Finanzierung des Kirchenbaus gedacht. ist
das Haarkirchen benachbarte Kempfenhausen.
106 HARTMANN, Zustand 418 mit Bezug auf cc.9-10 des Capitulare ecclesiasticum von 818/19
(MGH Cap I, Nr. 138, 277), c.2 des Capitulare Wormatiense (MGH Cap II, Nr. 191, 12) und
c.18 der Relatio episcoporum (MGH Cap II, Nr. 196, 35).
107 S.o. 1.5.1
108 DlEPOLDER, Laurentiuspatrozinien 395.
109 C.30 (MGH Conc 11,1, Nr. 24, 211): md/MS episcopMS aMws s;N achm/mm HM&af ms
fnFMfHNMm dom?!; rngis, L7 esf FasiNcas comm FeMohivm ud a faN coMchhoMP pcrhMcm
UKMMr, domMMS mx Fof pLMdcr .
110 TF 193ab (804.01.13), zum Konflikt u. 5.1.7.