Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Weber, Wilhelm; Königliche Museen zu Berlin / Ägyptische Abteilung
Mitteilungen aus der Ägyptischen Sammlung: Text — Berlin, 2.1914

Citation link:
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/mitt_aegslg1914_text/0035

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Osiris.

21

jetzt angegebenen Richtung zu fördern: die Mumie, wie sie aus dem kapellenartigen Sargkasten
mit seinen geöffneten Flügeln herausschaut (Berlin 17039)14). Soweit er sichtbar wird, ist der
Tote ebenso ausgestattet wie unser Bild; nur fehlt ihm, weil er ein gewöhnlicher Toter ist, die
Götterkrone, und die untere Hälfte des Körpers steckt verborgen im Kasten. Wir wissen,
daß so die Mumie noch tagelang im Hause stand, ,,als könne man sich von ihrem Besitz nicht
trennen" und gewiß auch bekränzt war, ein Gegenstand frommen Gedächtnisses. Könnte man
nicht denken, daß unser göttliches Bild zu Ehren und Kult gekommen sei als Fragment einer
solchen, vielleicht alten Mumie, deren unterer Teil fehlte, und die frommem Glauben gemäß
Wunder getan hatte oder noch tat?15) Die Form der großen Stücke aber widerspricht dem,
der Gedanke an einen Mumienkasten ist m. E. ausgeschlossen. Jene sind, auch wenn sie zum
Teil außerhalb Ägyptens gefunden wurden, bessere Zeugen als die Terrakotten; stimmen sie
doch auch mit den ältesten datierbaren Darstellungen, den von 69 n. Chr. an in Alexandrien
geprägten Münzen überein, deren urkundlichen Wert niemand antasten darf.
Und so zwingen alle Zeugen a priori die Lösung auf: es sei dieses Götterbild ein Gefäß
mit Mumienausstattung, ein Gefäß in Mumienform.
Gefäße mit Menschen- oder Tierköpfen gehören zum alten Bestand unter den keramischen
Formen Ägyptens wie Griechenlands, und die Kontinuität dieser Form hat, in Ägypten wenig-
stens, nie unterbrochen werden können. In den Prunkgefäßen erlebt sie mannigfaltige Spiel-
arten16); im Totendienst aber — und dessen Konservatismus garantiert sicher die Form —
verlangt der Ägypter vier solcher Gefäße mit figürlichem Deckel. Es sind die Krüge, in denen
man die dem Toten Hunger und Durst bringenden Eingeweide aufbewahrte, und die unter
dem Schutz der vier Horossöhne stehen, welche einst dem toten Osiris den Mund zum Sprechen
und Essen wieder geöffnet hatten: die Köpfe eines Menschen, eines Affen, eines Schakals,
eines Falken bilden die Deckel dieser Gefäße17). Und wirklich entspricht die Grundform
unseres Bildes dem geläufigen Typus des menschenköpfigen Krugs, nur daß sie plumper und
gedrückter geworden ist18).
Jene Sitte, die viele Jahrhunderte sich gehalten hat, scheint erst im Hellenismus verloren
gegangen zu sein; denn von dieser Zeit an werden ganz willkürlich Krüge, beliebig an Zahl,
von teilweise sehr abweichender Form ins Grab mitgegeben19). Aber wie in den Tempeln, so
erscheint auch in den Gräbern noch sehr später Zeit unser Bild, berufen als Schützer in ganz
anderem Kreis: Isis und Harpokrates, Demeter gehören zu ihm in Typen, wie unsere Terra-
kotten sie zeigen20). Die vergessenen Horoskinder sind durch mächtige Götter ersetzt, die
wahrhaft den Toten schützen: unser Toter κατ' εξοχήν ist darum der Totengott selbst, Osiris
als mumienförmiges Gefäß.
Die Sage berichtet ausführlich, wie Osiris starb und begraben wurde. Jede Stadt Ägyptens

14) S. die Nachweise bei Erman, Religion2 S. 255, Fig. 154 und Anm. 30. Vgl. etwa das Fragment bei Schmidt, Choix

de monum. II. ser. Taf. XXV, 66.

15) Vgl. etwa auch die alten Vignetten bei Naville, Äg. Zeitschr. 48, S. 107 ff., Fig. 3, 4.

16) Z. B. Lepsius, Denkm. III, 127b = Schaefer, Prunkgefäße, Fig. 92 = Jolles, Archäol. Jahrbuch 1909, S. 236, Fig. 34.
Wallis, Eg. ceramic art II, Fig. 34. 41. Imitation ägypt. Motive in rhodischer Kunst: Arch. Anzeiger 1912, S. 130 n. 23:
,,hinter bauchigem Gefäß, auf dessen Deckel ein Frosch sitzt, hockt eine Figur mit ägypt. Schulterlocken und Kopfputz“.
Lit. ebenda. Vgl. die Gefäße mit Menschenkopf bei Löwy, Österr. Jahreshefte 1911, S. 297.

17) Erman, Religion2 S. 43, 145. 165.

18) Untersuchungen S. 30 Anm. 2.

19) Das vatikanische Exemplar, unsere Abb. 1 (alles Nähere Untersuchungen S. 36), hat am reinsten den alten Gefäß-
typus bewahrt. Man denke sich den Kranz weg, und man erhält das Gefäß in etwas gedrückter Form.

2°) Untersuchungen S. 34 f., s. unten S. 23, oben S. 4, Anm. 18.
 
Annotationen