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Weber, Wilhelm; Königliche Museen zu Berlin / Ägyptische Abteilung
Mitteilungen aus der Ägyptischen Sammlung: Text — Berlin, 2.1914

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38

Isis

aus man zunächst auf

Daß die Ähre nur auf eine Fruchtbarkeitsgöttin bezogen werden kann, scheint mir sicher.
So kommt uns hier vielleicht eine frühhellenistische Ausdeutung des griechischen Sternbilds
der Jungfrau, παρθένος, zu Hilfe, dessen Hauptstern die Ähre ist: ol μέν γάρ αυτήν φασιν είναι
Δήμητρα διά τό έχειν στάχυν, οι δέ Ίσιν, οϊ δέ Άτάργατιν, οι δε Ίύχην ...32). Die παρθένος, die Ähre
tragend, so sah der Grieche sein Sternbild; auch die άνασσα παρθένων Berenike trägt in der
ägyptischen Krone die Ähre; denn man fand es eine artige Huldigung, daß die Krone den
Namen der Prinzessin wiedergab33). Die Ähren tragen auch die ϊερα'ι παρθένοι im Dienst der
göttlichen παρθένος Berenike. Ich denke, da diese, wie der Beschluß zeigt, auch neben Osiris stand,
daß auch die große Isis von dieser Jungfrau am Himmel ihre Ähren empfing. Immerhin, in
der Zeit, der unsere Terrakotten entstammen, sind Hathor, die Jungfrau, die anderen, denen
Isis die Einzelzüge ihres sehr umfassenden, dehnbaren Wesens verdankt, schon beinahe vergessen.
Im Prozeß der Hellenisierung sind wie im alten Ägypten alle Göttinnen leidlich unifor-
miert, um der Schicht der Gräkoägypter gleich zugänglich zu bleiben; dadurch, daß die Unter-
schiede allmählich verschwunden sind, ist uns die sachliche Erklärung erschwert; wir gehen
hier darum jeweils vom einigermaßen Gesicherten aus.
Die thronende Gottesmutter Isis, 17—20, mit dem Kind Harpokrates, in ganzer Gestalt
oder als Halbfigur, begegnet häufig34); sie genießt seit alter Zeit un-
geheures Ansehen35). Dem Mythos entlehnt, ist die Gruppe schon
in vorptolemäischer Kunst nach den Regeln des hieratischen Stils
ein fester Typus. Neben ihm, der bis in die Spätzeit sich hält36), er-
scheint als einziger unser freier Typus in der
früher besprochenen Tracht: Der Schöpfer
des Bildes hat die ihm überkommenen Elemente,
unter dem Einfluß griechischer Vorstufen37), in
seine Sprache übersetzt und idealisiert. Auch
hier offenbart sich ein großes Kultbild38), das
alexandrinische Münzen in einem Tempel ägyp- vb 13
tisch-griechischen Stils zeigen (Abb. 13); wor-
Alexandrien als Kultmittelpunkt raten möchte39). Ist doch dort, in
der Residenz der Griechenfürsten, wohl auch der freie, stehende Typus geschaffen.


Abb. 12.


32) Ps. Eratosthenes, Cataster. Nr. 9, S. 11 f. Oliv.

33) Vgl. Anm. 31. Man hat dem Diadem die Ähren nicht zugefügt, um den Namen der Prinzessin zu gewinnen, sondern
man freute sich über das schöne Zusammentreffen. Die Ähren stammen also von einer anderen Göttin.

34) Drexler, Roscher, s. v. Isis 504—512, vor allem zu Nr. 17—19 Schmidt, Graesk-Aeg. Terr. pl. II. Petrie, Roman
Ehnäs, Taf. LIII, 12 d; ebenda, Taf. LIV. Viele Terrakotten und größere Statuetten zerstreut in den verschiedenen Samm-
lungen.

35) Vgl. Erman, Religion2 40 f. und Fig. 45.

36) Drexler, Isis 505. Er existiert bis in späteste Zeit, z.B. Marucchi, Vaticano Egizio Nr. 55. Stele, Kairo 32364, wo
zwei Isides (s. darüber unten Bes S. 159) einander im „Profil" gegenübersitzen. Sehr realistisch preßt die Frau da jedesmal die
Brust zusammen, die sie dem Kinde reicht. — Das Motiv des Quer-über den Schoß-sitzens ist in Ägypten alt (Mann und Frau,
Mutter und Kind). Fast immer sitzt die aufgenommene Person nach r., im 1. Arm der Aufnehmenden. Das Kind ist kein
Säugling, puppenhaft, im vollen Ornat; die Mutter teilnahmlos: keine Gruppe. Auch beim „Griechen" sitzt das Kind immer
nach 1., aber es strampelt, tappt nach ihrer Brust. Wie die Ägypterin faßt diese an die Brust, aber auch sie unaufmerksam
zum Kind; auch hier beide in hieratischer Tracht. Der „Grieche" also entlehnt Gedanken und Schema: er bleibt ihnen treu,
nur wird unter seiner Hand aus der steifen Gruppe auf dem „schönen Thron" die Darstellung eines göttlichen Idylls in ideali-
sierter Form.

37) Muttertypus: Winter, Typenkatal. I 29, 103, 142. Lange, Menschl. Gestalt, 20 ff. D. Heubach in der unten S. 53,
Anm. 10 zu nennenden Arbeit S. 5 f., u. ö.

38) Das zeigen zur Genüge die Münzen, Drexler 506; Dattari, Taf. XVII, XXIX (Abb. 13).

39) Darüber hoffe ich demnächst an anderer Stelle zu handeln, s. auch Anm. 45.
 
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