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Weber, Wilhelm; Königliche Museen zu Berlin / Ägyptische Abteilung
Mitteilungen aus der Ägyptischen Sammlung: Text — Berlin, 2.1914

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Isis.

39


Abb. 14.

Aber nicht immer ist die Muttergöttin wirklich Isis; das lehrt 25, wo eine Göttin im
Isisgewand im Korb sitzt40) und sich anschickt, einen Zwerg mit Knabenlocke und altem Ge-
sicht, den sie im Schoß hält, zu nähren (Abb. 14). Ist hier analog der Isis, die „auf dem schönen
Thron" sitzt, eine „Nephthys" zu verstehen oder Bubastis, die dann des Zwerges41) Mutter wäre?
Einstweilen muß die Frage offen bleiben, wer es ist. Immerhin, wie reich das Motiv der Nähr-
mutter ist, wie stark die Formel, die der Künstler der Isis gefunden,
alle Möglichkeiten beherrscht, die aus dem wirren Durcheinander der
aus Tieren zu Menschen entwickelten und gelegentlich zurückver-
wandelten Götter, dem Vielerlei ineinander geschobener Sagen, in-
einandergeflossener Götter sich ergeben, zeigen manch andere Dar-
stellungen42). In seiner ganzen Kraft lebt das Motiv der göttlichen
Mutter bei den Tempelfrauen, deren eine in religiös- ekstatischer


Abb. 15.

Brunst träumt, einen jungen Apis geboren zu haben, und in den Verheißungen des Totenkults, nach

denen der Tote als Kind an der Göttin Brust genährt wird43). Seit alten Zeiten dringt der

Glaube an die Gottesmutter durch, verwoben mit Mythos und Leben, in allen
sozialen Schichten lebendig, auch ethnisch nicht gebunden: so früh hat kein
Volk den Typus der Madonna gekannt, an ihr hing kein Volk der späten
Zeit so glühend wie das ägyptische. Die Mission hat den Kult hinaus-
getragen, am Sternenhimmel sah man das Bild der göttlichen Jungfrau
Isis mit dem Kind aufsteigen44). Ist da zu bezweifeln, daß dieser Gedanke
fortlebte in christlicher Zeit45)?
Dem Muttermotiv aus dem Mythos reihen andere sich an. Bei 21 ist die


Abb. 16.

Büste der Isis neben der des Sarapis zu ergänzen (s. oben S. 26, Anm. 6). Hier ist Sarapis an die

40) In einem gleichen oder ganz ähnlichen Korb stehen oder sitzen: Sarapis, oben S. 29, Anm. 27; Isis (r. Hand
erhoben, 1. Tier?), Berlin, Kaiser-Friedrich-Mus. Kopt. Abt.; Göttin mit Sistrum r. und Topf in der erhobenen L., wohl
Nut oder Bubastis (Kairo 26 946 unpubl.); ferner die gleiche in einem Flachbogentempel, Löscheke, Bonner Jahrb. 1919, Taf. 34
Bubastis mit der Katze (s. unten S. 120); auch das alte Weib, das den Bes stillt, Louvre I 4244? (Abb. 14) alle mit dem
„Isisgewand"; auch die nackte Frau: Edgar, Moulds, pl. XXV, 32 078 „the basket is flanked by two serpents“, vgl. das
Heidelberger Stück, unten S. 145, Anm. 18; auch Harpokrates 81, Taf. 7. Alten Stils: Schu, Daressy, Stat. de Divinites
pl. VIII 38 107. Ich dachte öfter an den grünen Schilfkorb; das Zeichen der „Nephthys, nb O, könnte hier mißverstanden
oder übertragen sein (Berlin 8939 Hathorkuh zwischen Papyrusstauden auf V7; 8283, Zeichen „Leben", „Genuß", „Dauer"
auf dem Zeichen „jedes" 77); aber die Verwendung bei vielen verschiedenartigen Göttern erschwert die Interpretation.

41) Es kann wohl der „Alte" sein, der unten S. 74 zu behandeln ist. Der Zwerg hat auf solchen Darstellungen kein
Kindergesicht, vgl. das scheußliche Negerweib, das dem Bes in seiner typischen Gestalt und Federkrone die Brust gibt (Abb. 14,
Anm. 40). Ihm ähnlich eine „Besa", die das Beskind (s. unten 264 ff. S. 160 f.) nährt, Hilton Price Coll. II pl. XI, 4326.'

42) Wichtig ist, daß die Hathorkuh in Florenz, die den König Haremheb säugt (XVIII D.) aus dem Iseum von Rom
stammt, Schiaparelli, Cat. mus. eg. Firenze I 152. Bulletino communale 1883, 47. Die thronende Isis, neben ihr r. der
Gnom oder Bes (?), sie reicht dem Hund die 1. Brust, Terrakotte bei Arndt (Abb. 12), ähnlich Leipzig, Univ.-Sammlung 1220.
Der geschnittene Stein Berlin 9820 zeigt Horus als Apis, an der r. Brust der thronenden Göttin trinkend (Abb. 15). Eine
Terrakotte des Louvre, bezeichnet Nr. 347, zeigt die stehende (vgl. Anm. 43) Göttin des Typs 28, an ihrer 1. Brust den kleinen
Apis. (So wird wohl auch die Darstellung der Bleimünzen von Memphis, Dattari, Taf. XXXVI, zu verstehen sein.) Die Göttin
auf einer Bank, deren obere Lehne ein Uräenfries abschließt, neben ihr auf der Bank stehend, an ihrer 1. Brust trinkend, Horus
als Apis, Kairo 26918. Selbst als Schlange reicht die Göttin dem Kind die Brust, Karlsruhe H. 830. Gedanklich ist das
Motiv altägyptisch: Die Göttin, die zwei Krokodile nährt, Berlin 14 188, vgl. auch Daressy, Stat. de divin. 38968f.

43) Vgl. Leemans, Pap. Leiden 1843, S. 118—119 (Sudhoff, Ärztliches aus den Papyri, S. 215; Lucius, Anfänge des
Heiligenkults, S. 264 f.): die Frau glaubt, als Kuh an dem Ort zu sein, [wo sie] gebärt, und Amon habe die Kuh ergriffen,
niedergeworfen, sei mit der Hand in ihre Scham gefahren und habe einen jungen Apisstier herausgezogen. — Der Tote als
Kind von Isis im Gebüsch stehend ernährt, vgl. die Darstellung auf dem Leichentuch des Dion, Berlin 13277, Ausführl.
Verzeichnis2 357 u. Fig. 70; Nut spendet ihm das Wasser.

44) S. Anm. 39 und 45.

45) Drexler, Roschers Lexik, s. v. Isis 429 ff. Dieterich, Kl. Schriften, 485, 538. Boll, Sphaera, 18, 27, 41, 58, 212.
Sehr wichtig ist, daß die dort erwähnte ΕΙσις εν άτρίφ als selige (μάκαιρα) Gottesmutter titular erwähnt wird, Cagnat, Inscr.
Graec. ad. r. Rom. pert. I, 1048, 1175.
 
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